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WIEN / Volkstheater-Bezirke: ELLING

22.01.2014 | Allgemein, Theater

Elling die Zwei
Foto: Volkstheater / Lalo Jodlbauer

WIEN / Volkstheater in den Bezirken:
ELLING von Axel Hellstenius
Premiere: 22. Jänner 2014,
besucht wurde die Voraufführung

Zuerst eine „historische“ Bemerkung: Vor ziemlich genau 60 Jahren, im Jänner 1954, trat die Aktion „Volkstheater in den Außenbezirken“, wie sie damals noch hieß, ins Leben. Wenn die Leute nicht zum Theater kommen, muss das Theater zu den Leuten kommen, befand die Arbeiterkammer (die damals ihren Namen noch verdiente), und das Volkstheater unter Direktor Leon Epp ließ sich gerne darauf ein.

Man hatte solcherart, durch die Volkshochschulen der Bezirke „vazierend“, ein zweites festes Standbein für Produktionen, und alle Beteiligten entwickelten im Lauf der Jahrzehnte beachtliches Geschick, die verschiedenen Spielräume (in Ottakring stand – oder steht vielleicht noch? – immer störend ein Flügel herum!) in den Griff zu bekommen und bei allen szenischen Kalamitäten doch in den meisten Fällen gutes und oft interessantes Theater zu machen.

Als Sprungbrett für die Jungen und als Demonstrationsstätte für manchen Altstar des Hauses haben sich die „Außenbezirke“, die sich dann in „Bezirke“ umwandelten, bewährt. Und als die Arbeiterkammer vor 16 Jahren „Kindesweglegung“ betreiben wollte, wie die derzeitige Leiterin der „Bezirke“, Doris Weiner, es ausdrückt, sprang die Stadt Wien ein. Und das Unternehmen läuft und läuft und läuft vor meist vollen Häusern…Obwohl die historische Leistung, „zu den Leuten zu kommen“, heute nicht mehr aktuell notwendig erscheint – die gegenseitige Freude von Stammpublikum und Volkstheater-Mannschaft aneinander ist ungebrochen.

Diesmal ist „Elling“ an der Reihe, von dem man vermuten kann, dass er nach „Peer Gynt“ vielleicht der berühmteste Norweger der Bühne geworden ist. Auf Umwegen allerdings: Zuerst waren da die „Elling“-Romane des Ingvar Ambjørnsen, dann hat Axel Hellstenius ein Filmdrehbuch daraus gemacht, und solcherart eroberte die Geschichte die ganze Welt (was bis zur Auslands-„Oscar“-Nominierung gedieh). Dann sind Elling und Kjell Bjarne auch auf der Bühne gelandet, der eine ein schwerer, von allerlei Phobien geplagter Neurotiker, der andere ein allzu schlichtes Gemüt, beide vom norwegischen Sozialprogramm aus der Psychiatrie „ins Leben“ entlassen. 2007 ist man den beiden (in Gestalt von Alexander Pschill und Oliver Huether) auf der Bühne der Josefstädter Kammerspiele begegnet. Nun fahren sie, mit Robert Joseph Bartl und Horst Heiss nicht minder ideal besetzt, durch die Außenbezirke.

Zwei, die wieder leben lernen müssen. Nicht wirklich geistig behindert, aber doch „anders“ genug, um anfangs Opfer ihrer Ängste zu werden. Vielleicht gehört ihnen die Anteilnahme des Publikums auch, weil viele mit solchen Ängsten herumlaufen, sie aber verstecken und gelernt haben, damit zu leben. Das gelingt auch Elling und Kjell Bjarne im Lauf von gerade zwei Theaterstunden, und die Aufgabe des Regisseurs besteht daran, dies nicht allzu freundlich und gefällig ausfallen zu lassen. Tatsächlich balanciert Katrin Hiller das Beunruhigende der Situation und das letztlich Beruhigende des Stücks („Wird schon alles gut werden“ – und tatsächlich, das wird es auch) geschickt aus.

Und Robert Joseph Bartl, so rundlich und lieb, und Horst Heiss, so skurril und naiv, denunzieren ihre Figuren nicht, die man ja auch als Clowns oder Freaks oder in anderer wohlfeiler Überdrehung auf die Bühne bringen könnte. Nein, sie bleiben Menschen und spielen sich mit ihren grenznormalen Absonderlichkeiten direkt in die Herzen des Publikums.

Anselm Lipgens ist, leicht lispelnd, ihr gutmeinender Sozialbearbeiter, und Isabella Szendzielorz spielt begabt alle Damenrollen, und wenn sie einmal bekannter sein wird, könnte sich ein Name wie dieser als Problem herausstellen. Aber bis dahin kann sie ja noch überlegen.

Und was „Elling“ noch zeigt, wenn man die Norweger kennt: Nämlich, dass sie ein ungemein nettes, freundliches, wohlmeinendes Volk sind, dem man sowohl die Ellings wie den liebevollen Umgang mit ihnen glaubt.

Renate Wagner

 

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