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WIEN / Volkstheater-Bezirke: BARFUSS IM PARK

03.10.2020 | KRITIKEN, Theater


Fotos: Volkstheater

WIEN / Volkstheater-Bezirke:
BARFUSS IM PARK von Neil Simon
Besucht wurde die Nachmittags-Vorstellung
am 3. Oktober 2020 in der Volkshochschule Hietzing

Während Kapazunder der Stadt Wien von Zeit zu Zeit vor die Presse treten, um zu versichern, dass die Restaurierungsarbeiten am Volkstheater zügig voran schreiten, hat sich die neue Direktion noch nicht einmal die Mühe gemacht, eine Website zu erstellen. Vielleicht könnte der neue Direktor einem möglicherweise neugierigen Wiener Theaterpublikum schon einmal Guten Tag sagen, mit ein paar Hinweisen darauf, wie es weitergehen wird und was man vor hat. Aber Schnecken, wer schert sich schon ums Publikum? Außerdem ist das, meint man vermutlich, nach der Ära Badora ohnedies nicht-existent, was dieses Haus betrifft. Alles muss neu werden.

Auch das Team der „Bezirke“ wird, wie man hört, gänzlich ausgetauscht. Davor aber darf Doris Weiner, die gut eineinhalb Jahrzehnte lang die Knochenarbeit geleistet hat, mit Aufführungen durch die Wiener Bezirke zu reisen (und die Zuschauer bei Laune zu halten, wenn der Direktion Badora wieder etwas ganz Unpassendes für dieses Publikum eingefallen ist), mit zwei Vorstellungen „im alten Stil“ Abschied nehmen. Erst mit „Barfuss im Park“, dann mit den „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“ (ungeachtet dessen, dass das Burgtheater das Stück aus der Ära Bergmann übernommen hat – das Publikum dürfte sich nicht überschneiden).

Das Ganze ist noch auf der alten Website angekündigt, aber man ist schon ganz auf die neue Situation des Hier und Heute eingestellt: In der Volkshochschule Hietzing hat man den besten Trick gefunden, dass niemand zusammen rücken oder den Sitz wechseln kann: Bei jedem zweiten Stuhl ist die Sitzfläche heraus genommen. Das Personal ist kompetent und sorglich – und das Publikum? Kaum da, obwohl man den Damen und Herren in den Bezirken sicher niemanden präsentieren kann, den sie lieber sehen würden als Doris Weiner. Schlimme Zeiten, wenn man nicht einmal mehr zu seinen Lieblingen ins Theater geht…

Mit „Mama Ethel“ (ursprünglich wohl als jüdische Mame gedacht) hat sich Doris Weiner eine spritzige Rolle ausgesucht, abgesehen davon, dass sie für „Barfuss im Park“ von Neil Simon eine vorzügliche Regisseurin ist – da lässt das Tempo keine Sekunde aus, da sitzen die Pointen, da bieten die Darsteller in Sprache und Körpersprache Bestes. Man erinnert sich an das Stück – es war Simons erster Erfolg 1963, und als 1967 der Film mit Jane Fonda und Robert Redford in die Kinos kam, gab es niemanden, der die Geschichte nicht kannte.

Der Erfolg kommt nicht von ungefähr, denn hinter der Situationskomik (junges Paar in einer katastrophalen Dachwohnung) steht die Charakterkomik, die Simon noch so vielfach (und am berühmtesten in „Ein seltsames Paar“ und „Sonny Boys“) entfaltet hat. Da hat die stürmische Corie den recht bürgerlichen Anwalt Paul geheiratet, und ihre auch sehr bürgerliche Mama trifft auf den alten Bonvivant Victor Velasco. Wie da in aller Kürze (und hier hat man das Stück noch auf etwas über eineinhalb Stunden ohne Pause zusammen gestrichen) die Positionen gewechselt werden und alle Beteiligten aus dem Leben lernen – es ist ein Vergnügen.

Dabei ist die Besetzung ein Glücksfall: Evi Kehrstephan (sie sieht eher wie Gwyneth Paltrow aus denn wie Jane Fonda, aber sie gibt eine bestrickende Hauptdarstellerin ab) ist so richtig aus tiefer Seele ein Temperamentsbündel, das eigentlich nur Spaß im Leben haben will. Es hat sich allerdings immer gezeigt,, dass ihr so braver Ehemann die noch bessere Rolle ist – und Sören Kneidl ist hinreißend, wenn er versucht, sein Berufsleben und diese verrückte Frau irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Ihm beim Ausrasten zuzusehen, ist ein Mordsspaß.

Doris Weiner ist anfangs ganz Muttchen, die brave, wohlhabende Witwe ohne Spaßfaktor (und schon als solche für den Zuschauer ungemein witzig). Aber sie lernt – und wie! Ein Vergnügen. Nicht ganz auf voller Bonvivant-Höhe (es ist schrecklich, dass man Charles Boyer nicht aus dem Kopf bekommt) ist Michael Abendroth, aber er erfüllt seinen Zweck, ebenso wie Günther Wiederschwinger, der als Telefontechniker in zwei Auftritten noch Farbkleckse zu der bunten Geschichte beisteuert.

Es waren viel weniger Zuschauer in der VHS Hietzing an jenem Samstag-Nachmittag, als die Produktion und die Schauspieler verdient haben. Aber sie spielen. Man darf sich nicht unterkriegen lassen.

Renate Wagner

 

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