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WIEN / Volkstheater: APOKALYPSE MIAU

07.12.2022 | KRITIKEN, Theater

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Foto: Volkstheater / Birgit Hupfeld

WIEN / Volkstheater:
APOKALYPSE MIAU
EINE WELTUNTERGANGSKOMÖDIE
von Kristof Magnusson
Uraufführung
Premiere: 1. Dezember 2022,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 6. Dezember 2022 

Wenn der alte Regietheater-Regisseur und die auch nicht mehr junge „alternative“ Performance-Regisseurin, die einst – lang, lang ist’s her – seine Assistentin war, beginnen, sich schwärmerisch daran zu erinnern, wie sie einst zusammen in St. Pölten „Hamlet“ gemacht haben…. da klingelt es im Kopf des Zuschauers: Der Menschheit Würde! Theaterkabarett! Und das stimmt zumindest für die erste Hälfte des Volkstheater-Abends, der seinen schrägen Titel „Apokalypse Miau“ wie eine Herausforderung vor sich her trägt. Dass es nämlich tolldreist zugehen wird.

Kay Voges, bis dato unglückseliger Direktor des Hauses (daran ändern auch seine „Nestroys“ nichts), zeigt hier zumindest einmal als Regisseur, dass er auch Humor hat. Und sogar etwas wie „normales“ Theater (bei aller hier legitimen Überdrehtheit) machen kann. Wenn auch mit jeder Menge Theaterzauber und Effekten, die hierorts bisher schon manche Produktion erschlagen haben. Diesmal fügen sich alle szenischen Schnokes ins Ganze.

Der Rahmen des Gebotenen ist überzeugend. Der Theaterpreis, der verliehen werden soll (und auf dessen Original das Volkstheater so stolz ist), heißt nicht zu Unrecht „destroy“, denn zerstört wird wirklich vieles. Vorerst aber baut man auf. Evi Kehrstephan als „Bonnie Van Klompp“ mit einem drolligen Lotte de Beer-Akzent /(weil es ja so sympathisch wirkt, wenn Moderatoren einen leicht fremdartigen Zungenschlag haben) führt in diese Mischung aus Show und Gala ein – mit all den unerträglich gesüßelten Phrasen, die man bei solchen Gelegenheiten immer wieder hört und schon live kaum verträgt. Hier wird die ganze künstliche Verlogenheit perfekt und von der Darstellerin virtuos ausgekostet ausgestellt. Später erweist sich die ach so liebliche Dame als durchaus energisch, wenn sie ihren Abend unbedingt durchziehen möchte, egal, welche Schwierigkeiten sich da aufbauen…

Die Szene bewegt sich Backstage, wo es ja immer etwas interessanter zugeht als dort, wo man künstlich in die Menge grinst. Der isländisch-deutsche Schriftsteller Kristof Magnusson, der das Stück verantwortet, dessen Uraufführung man hier sieht, bringt  hier sieben Typen auf die Bühne, an denen sich so manches festmachen lässt – satirisch, aber mit einem spürbar echten Kern.

Da ist Olinde, der alte Regisseur (kraftvoll, standfest: Andreas Beck), längst aus dem Geschäft, aber „Legende“, der Regietheaterkämpfer aus der kommunistischen Zeit, lebenslang mit seinem Ruf hausierend und sich immer noch damit brüstend, der Welt den Spiegel vorgehalten zu haben…

Da ist seine einstige Assistentin  (Anke Zillich mit großer Pose der gnadenlosen Überzeugungstöterin), heute die „korrekteste“ von allen, ob es um Rasse, Klasse oder Geschlecht geht, mit der einzigen Sorge, jemand anderer könne die Welt und das Theater noch problematischer sehen als sie. Geradezu umstrahlt wird sie von der ganzen wokne Selbstgerechtigkeit.

Äußerst witzig der Jungstar, der von nichts eine Ahnung hat, was nicht die digitale Welt betrifft, aber so eingebildet einerseits, beflissen kriecherisch  andererseits ist, dass er immer wieder geradezu vor Eifer über die Bühne kugelt. Optisch gibt ihm sein Darsteller Elias Eilinghoff einen Lars-Eidinger-Look, der gar nicht schlecht passt.

Der Starchoreograph tut gut daran, sich als „nicht von dieser Welt“ zu präsentieren und mit buddhistischer Esoterik zu umgeben – vor allem, wenn er in seine „Performances“ ausbricht, ist Mario Fuchs äußerst komisch.

Und da ist der Schauspieler von gestern, den alle schon für tot hielten, der aber in eine empörte Kritik über den Wandel des gesellschaftlichen Bewusstseins ausbricht, die sich anhört wie eine FPÖ-Wahlrede (das heißt, es wird Leute geben, die seinen Argumenten zustimmen). Für die Ausgewogenheit der Standpunkte ist diese Figur durchaus nötig und Uwe Rohbeck erfüllt sie mit gewissermaßen gestriger Korrektheit.

Der hedonistische Comedian-Autor  mit starkem, witzigen Bundesländerakzent (Christoph Schüchner) setzt ein weiteres Glanzlicht, desgleichen die angebliche Hollywood- Größe Celeste (Bettina Lieder), an der aufgezeigt wird, wie Stars per Internet einfach alles verkaufen, was sie mit ihrem Namen an die dummen Massen bringen können. Kurz, der Autor hebt so manches Getue aus der Welt des Theaters schlicht und einfach vom hohen Roß. Nur zwei Damen der Besetzung  (Irem Gökçen und Magdalena Simmel) sind zu bedauern, denn wer mag schon unter dicken Kostümen und künstlichen Köpfen als Teletubby herumtapsen und –zirpen (ganz abgesehen davon, dass man sie wirklich nicht braucht).

Die  Figuren ergeben einen repräsentativen Querschnitt für den ersten Teil des Stücks, wo jeder auch seinen Charakter entwickeln kann (und kein Darsteller unter seinen Anforderungen bleibt). Alle bringen also ihre für heute typischen Ideologien in meist witzigen Gesprächen an den Mann, viele der gegenwärtigen Fehlentwicklungen werden kenntlich, während ihre Vertreter scheinbar fest darin fixiert sind. Aber sind sie es wirklich?

Denn zur Pause tritt dann die titelgebende Apokalypse in  Gestalt eines auf die Erde krachenden Androiden ein, gewaltige Zerstörung (fürs Theater gut gemacht), Chaos im Backstageraum (die schönen Damenkostüme geradezu zerschreddert) – und nun können sich die Herrschaften angesichts des unvermeidlichen Todes überlegen, was ihre Künstlerschaft ihnen bringt. So wenig wie der Schauspielerin mit IT-Background ihre Kryptowährung.

Einige (der alte Regisseur, der alte Schauspieler) leugnen schlechtweg den Ernst der Lage. Andere wie der Choreograph werfen ihr ganzes künstlerisches Getue hinter sich und wollen nur ganz normal leben. Und besonders interessant ist die Erleichterung, die die ach so politisch korrekte Regisseurin zugibt – endlich nicht mehr unter dem Dauerdruck, jede neue Welle, jedes neue Bewusstsein, jede neue Denkmode im Übereifer noch überholen zu müssen… Da bröckelt die großartige Attitüde.

Freilich, wenn die Herrschaften anfangen, einander zu erschießen, findet man das nicht unbedingt glaubhaft, aber was wäre an dem Ganzen schon auf Realismus gepolt? Sonst würde man auch gar nicht so ungerührt zusehen, wie sie alle in den Untergang taumeln. Übrigens nicht großartig und mit tiefen Erkenntnissen im Stil eines Welttheaters – sondern wie Leute von heute, die sich ihre ganzen Posen abgeschminkt haben, weil sie sie nicht mehr brauchen…

Das Volkstheater war zur zweiten Vorstellung zwar höchstens zu einem Viertel gefüllt, aber wenigstens bröckelte in der Pause niemand ab, und am Ende gab es so unbeschwerten Beifall, als wären eben nicht alle Beteiligten in den Orkus gefahren. Tatsächlich haben sie sich im Theaterland durchaus amüsant umgetan, und das ist es Dankes wert,

Renate Wagner

 

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