WIENER VOLKSOPER: VIVA LA MAMMA – Premiere am 17.1.2015
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Copyright: Barbara Palffy/ Wiener Volksoper
Das Werk gehört zu den eher unbekannten Opern des Meisters aus Bergamo. In Österreich kann ich mich eigentlich nur an eine Aufführung bei den Bregenzer Festspiele 1976 mit Giuseppe Taddei in der „Titelrolle“ und an eine in Graz 1985 mit Oscar Czerwenka erinnern. Man kennt dieses Werk unter drei verschiedenen Titeln, und zwar unter dem, unter dem es nun in der Volksoper am Spielplan steht, weiters als „Das Debut der Mamma Agata“ unter dem es in Bregenz gespielt wurde, sowie unter „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ („Sitten und Unsitten des Theaters“), der dem Inhalt wahrscheinlich am ehesten entspricht, aber halt etwas sperrig ist. Das Werk war ursprünglich eine einaktige Farce, die 1827 in Neapel uraufgeführt wurde. In späterer Folge erweiterte sie Donizetti zu einer zweiaktigen Oper, die 1831 in Mailand erstmals gespielt wurde. Diese Fassung liegt auch der Aufführung der Volksoper zu Grunde. Der Inhalt des Werkes ist rasch erzählt. Es geht um Streitereien der Mitglieder einer Operntruppe die in einem Provinznest auftreten will. Mamma Agata ist die Mutter der 2. Sopranistin und möchte ihre Tochter protegieren und vergrault die Primadonna. Die Altistin ist auch mit vielem nicht einverstanden und weigert sich ebenfalls aufzutreten. Da sonst die Aufführung platzen würde, erklärt sich Agata bereit, selbst diese Rolle zu übernehmen, obwohl ihre Stimme dafür absolut nicht geeignet ist. Der Tenor schmeißt seine Rolle ebenfalls hin und wird durch den Bassisten ersetzt. Es wird heftig weitergestritten und das Ende des 1. Aktes gipfelt in der Feststellung, daß ohnehin niemand diese Aufführung mehr möchte. Man probt dann doch weiter und das ganze Unternehmen droht trotzdem zu scheitern, da die Stadt von der Truppe eine Kaution möchte. Da keiner der Truppe dafür das Geld hat, verkauft Agata ihren Schmuck und wird so zur Retterin des Unternehmens.
Nun hat sich also die Volksoper an dieses Werk gewagt und das Ergebnis war leider enttäuschend. Das lag weniger daran, dass man sich für eine deutschsprachige Aufführung – nur die Stücke der zur probenden „heroischen“ Oper wurden italienisch gesungen – entschieden hat. Ich selbst bin zwar ein militanter Verfechter der Originalsprache, aber die Aufführung fremdsprachiger Werke in deutscher Sprache hat an dem Haus nun einmal Tradition und ist somit zu akzeptieren. Hauptursache, dass das Ganze ziemlich erdenschwer wirkte, war der Umstand, dass man statt der vorgesehenen Rezitative gesprochene Dialoge verwendete. Bei Rezitativen, so man sie korrekt interpretiert, ist das Zeitmaß weitgehend vorgegeben, während die Dialoge beliebig ausdehnbar sind. Dadurch hatte man speziell im ersten Akt manchmal das Gefühl, die Aufführung würde nicht vom Fleck kommen. In zweiten Akt, wo die Dialoge auf ein Minimum reduziert waren, war es dann etwas besser. Dazu kam, dass Rolando Villazon eher arangierte denn inszenierte. Er versuchte zwar eine Persiflage auf das zeitaktuelle Theater – der sich intellektuell gebende Regisseur sollte offenbar dafür stehen – aber im Grunde blieb es Stückwerk. Die Gags waren zum größten Teil nicht wirklich neu und eine echte Personenregie war nicht zu erkennen. Vielmehr hatte man den Eindruck, als versuchten die Sänger aus eigener Initiative ihre Rollen zu gestalten. Das Bühnenbild von Friedrich Despalmes war funktionell und die Kostüme von Susanne Hubrich nicht unoriginell. Etwas einfallslos die Choreographie von Vesna Orlic.
Insgesamt fehlte der Produktion eine gewisse Spritzigkeit, was vor allen Dingen auch deswegen schade ist, weil aus dem Orchester durchaus Erfreuliches zu hören war. Kristiina Poska sorgte für einen guten Donizetti-Klang und war den Sängern eine sorgfältige Begleiterin. Dass sie allerdings zuließ, dass, wie leider öfter in der letzten Zeit in der Volksoper, die Ouvertüre gestrichen wurde, muß man ihr negativ ankreiden.
Die Leistungen der Sänger waren durchwachsen. Am besten gefiel mir Jörg Schneider als Vladimir. Er verfügt über eine schön geführte Tenorstimme, die er auch durchaus gekonnt einsetzte. Zudem war er auch darstellerisch amüsant und stellte durchaus glaubhaft einen „Provinztenor“ auf die Bühne. Anja-Nina Bahrmann war eine sowohl stimmlich als auch darstellerisch zufriedenstellende Corilla, auch wenn die Stimme in der Höhe etwas schrill wird und ein leichtes Tremolo zu bemerken ist. Julia Koci (Luisa) war von den Damen eigentlich die beste. Speziell die Nummern aus der „Oper“ sang sie mit viel Einfühlungsvermögen und war auch darstellerisch durchaus präsent. Schwer tue ich mir bei der Beurteilung von Martin Winkler in der Titelrolle. Er ist eigentlich nicht wirklich ein Sänger für das italienische Fach, sondern eher ein Charakterbariton – so war er ja der Bayreuther Alberich des Jahres 2013. Er bemüht sich zwar redlich, aber vieles klingt trocken und es fehlt eigentlich der Humor. Auch darstellerisch beschränkt er sich auf bekannte Gesten. Lediglich die Simone Kermes-Imitation bei seiner großen Szene im zweiten Akt sollte irgendwie originell sein. Andreas Mitschke war zwar darstellerisch ein typengerechter Theaterdirektor, aber die Stimme klingt leider ziemlich hohl. Daniel Ochoa war ein sowohl stimmlich als auch darstellerisch farbloser Stephan und Elvira Soukop eine eher unauffällige Dorothea. Marco Di Sapia versuchte nicht ganz überzeugend einen – wie oben schon erwähnt – deutsch-intellektuellen Regisseur auf die Bühne zu stellen und Günther Haumer blieb unauffällig als Dirigent.
Der Chor (Einstudierung Holger Kristen) erbrachte eine ordentliche Leistung.
Wie übrigens von A.C. in seinem vorgestrigen Tageskommentar bereits erwähnt, kommt der Online-Merker einmal im Dialog vor.
Am Ende, wie in diesem Haus üblich, viel Jubel für alle Beteiligten., ein paar vereinzelte Buhs für das Regieteam.
Nota bene: Bei den Personennamen habe ich jene genommen, die im Programm angeführt sind. Diese weichen allerdings teilweise von den in verschiedenen Libretto-Ausgaben angeführten ab.
Heinrich Schramm-Schiessl