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WIEN/ Volksoper: TURANDOT

16.03.2014 | KRITIKEN, Oper

WIENER VOLKSOPER: 16.03.2014 – TURANDOT

 Zum fünften (vorletzten) Mal in dieser Saison stand gestern in der Volksoper die fantasievolle Turandot in der Inszenierung von Renaud Doucet und Andre Barbe auf dem Programm. Auch sieben Jahre nach der Premiere verzaubert diese, in eine Wunderwelt von Käfern, Schmetterlingen und menschenähnlichen Wesen verlegte Geschichte und zeigt, dass unortodoxe Inszenierungen begeistern können, wenn Fantasie, Respekt vor dem Werk und handwerkliches Können vorhanden sind. Einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Abends trug der von Thomas Böttcher einstudierte Chor und die hervorragend geführte Tänzer – und Statistengruppe bei. Sie ermöglichten erst die stimmungsvolle Wirkung der bunten, lebhaften Bilder. Das Volksopernorchester schwelgte im aufpeitschenden Puccici-Sound und unterstützte – besonders in den Chorszenen – den emotionalen Ausdruck bis knapp an die Schmerzgrenze. Etwas unangenehm empfanden wir beim Dirigat von Guido Mancusi die mangelde Sensibilität bei der Sängerbegleitung an den exponierten Stellen und auch manchmal das Fehlen einer ordnenden Hand bei der Synchronisation mit dem Chor.

 Die beeindruckendste Leistung des Abends war für uns die Turandot von Melba Ramos, die uns in der Premierenserie noch mit einer zarten, liebevollen Liu erfreut hat. Der Wandel zur mächtigen Prinzessin ist hervorragend gelungen; Melba Ramos singt mit ihrer schön strömenden, perfekt kontrollierten Stimme eine makellose Turandot, ist in den Höhen nie schrill, brüllt nicht und hätte sich bei etwas mehr Zurückhaltung im Orchestergraben weniger plagen müssen.

 Am meisten beachtet war in dieser Serie und besonders an diesem Abend der Calaf von Neil Shicoff. Der stark polarisierende Startenor hat sich mit dem Tatarenprinzen einen persönlichen Wunsch erfüllt und hat die Rolle mit dem ihm eigenen Totaleinsatz erarbeitet und ausgeführt. Niemand wird sich von Shicoff einen lyrischen, schönstimmigen Calaf erwartet haben; wir erlebten genau das, was an ihm so beeindruckt: Das totale Aufgehen in der Rolle und den schonungslosen Einsatz seiner großen Stimme, die gestern in sehr gutem Zustand war und zuversichtlich neugierig auf den „Hoffmann“ im Mai/Juni in der Wiener Staatsoper macht. Sehr präsent war in dieser Vorstellung auch seine große, enthusiastische Fangemeinde – man wähnte beim tosenden Applaus nach dem „vincero“, Luciano sel. sei wiederauferstanden.

 Uneingeschränkt Freude bereitete Anja-Nina Bahrman als Liu. Vielleicht etwas weniger zart als dereinst Melba Ramos, dafür aber selbstbewusster; mit berührendem Spiel und technisch perfektem, nie angestrengt wirkendem, schön klingendem Sopran. Petar Naydenov war ein mächtiger Timur – diese Rolle liegt ihm schauspielerisch und stimmlich sehr gut.

 Einer der Höhepunkte dieser Inszenierung ist immer der Auftritt der Minister mit ihren persönlichen Lakaien zu Beginn des zweiten Aktes. Wenn diese locker und übermütig gestaltete Szene von Klemens Sander (Ping), Karl-Michael Ebner (Pang) und Alexander Pinderak (Pong) so hervorragend gesungen wird, bleibt kein Wunsch offen.

 Yahushi Hirano war mit seinem großen, schön klingenden Bassbariton eine Luxusbesetzung als Mandarin und wir könnten uns vorstellen, dass sein voluminöses Käfer – Outfit auch eine physische Herausforderung darstellte. Jeffrey Treganza kann man als Kaiser von China nur wünschen, dass er nicht unter Höhenangst leidet. Sein „Standort“ in luftiger Höhe gibt seinem Gesang eine psychedelische Note.

 Diese Turandot ist für uns eine der schönsten Produktionen der Volksoper; sie ist, wenn man sich auf die bunte Märchenwelt einlässt, sehr unterhaltsam und wird – zum großen Teil aus dem Ensemble – in hoher Qualität umgesetzt. Gratulation – wir hoffen auf ein Wiedersehen in der nächsten Saison!

 Maria und Johann Jahnas

 

 

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