WIEN/ Volksoper: : RIGOLETTO am 28.2.
TROTZDEM EIN SCHÖNER OPERNABEND!
Vorab seien einige Worte zur bekannten Inszenierung von Stephen Langridge gestattet. Die ursprüngliche Geschichte von Victor Hugo wurde – um durch die rigide Zensur der Habsburger zu kommen – von Verdi selbst und vom Librettisten Francesco Maria Piave nicht gerade genial verfremdet und birgt einige haarsträubende Szenen und Details in sich, die man dank der herrlichen Musik Verdis normalerweise leicht ertragen kann. Eine gute Inszenierung – egal ob konservativ oder modern – nimmt darauf Rücksicht und versucht, die Schwächen zu kaschieren. Langridge macht genau das Gegenteil – so lässt er z.B. den Rigoletto die Leiter am eigenen Haus im vollen Scheinwerferlicht des Fiat 500 halten, obwohl vorher die Wandlampe zerstört wurde, um eine finstere Umgebung zu erzielen. Der Duca muss die heikle Auftrittsarie „Questa o quella“ in einer holprigen deutschen Übersetzung singen, während er auf das Kameragerüst (warum? – man weiss es nicht!) klettert.
Dass wir trotzdem einen sehr guten „Duca“ gehört haben, grenzt eigentlich an ein Wunder und ist ein Kompliment an die nervliche und körperliche Konstitution von Vincent Schirrmacher. Sein Tenore Spinto bewältigt die Rolle mit Leichigkeit und Stimmschönheit – erwartet man als Herzog einen lyrischen Tenor, könnte man etwas enttäuscht sein.
DAS Erlebnis des Abends war das Debüt des bulgarisch/italienischen Bariton Anton Keremidtchev in der Titelrolle. Wir haben ihn in Wels als Titurel erstmals gehört und waren von seiner mächtigen, klangschönen und technisch hervorragend beherrschten Stimme sehr angetan. Dass wir uns spontan entschlossen haben, noch eine zweite Vorstellung in dieser Besetzung zu besuchen, ist bestimmt zum Großteil diesem Rigoletto zuzuschreiben.
Bernarda Bobro stellt das etwas naive Mädchen vom Lande sehr berührend dar und hat in ihrer klaren, sicheren Stimme, die niemals schrill wird, die nötige Kraft, die Beweglichkeit für eine gute Gilda. Das Duett mit Rigoletto im 2. Akt geht zu Herzen und ist einer der Höhepunkte des Abends.
Einen großen Eindruck hinterließ auch das Geschwisterpaar mit der ausgeprägten kriminellen Energie: Stefan Cerny, den wir bisher nur in Mini-Rollen erlebt haben, überraschte uns als stimmgewaltiger, wunderschön (vielleicht etwas zu wenig „schwarz“) tönender Sparafucile, der etwas an den hallenden Bass von Walter Fink erinnert.
Dass Martina Mikelic gesanglich bei der Maddalena keine Wünsche offen lässt, haben wir nach ihrem grossartigen Salome-Pagen eigentlich erwartet. Trotzdem war es eine angenehme Überraschung, wie eindrucksvoll sie mit ihrem satten Mezzo diese laszive Rolle gestaltet. Neugierig waren wir, ob sie auch die sehr wichtige erotische Ausstrahlung hat – hier liegt ja in Wien dank Nadja Krasteva und Zoryana Kushpler die Latte sehr hoch. Der schmale Grat zwischen hausbacken und ordinär, den man als erotisch empfindet, wurde gut und ohne Peinlichkeit getroffen. Mit dieser Maddalena empfiehlt sich Martina Mikelic nachdrücklich als Carmen.
Ein besonderer Glücksfall war auch, wie die Stimmen der Hauptakteure harmonierten, wodurch besonders das Quartett im 3. Akt zu einem weiteren Höhepunkt wurde.
Die kleinen Partien – Giovanna (Sulie Girardi), Monterone (Peter Wimberger), Marullo (Günter Haumer), Borsa (David Sitka), Graf Ceprano (Petar Naydenov), Gräfin Ceprano (Mara Mastalir) waren gut besetzt und trugen – gemeinsam mit dem stimmgewaltigen Volksopernchor zum schönen Gesamteindruck bei. Allen Akteuren soll an dieser Stelle für die außergewöhnliche Wortdeutlichkeit ein großes Kompliment gemacht werden.
Das ambitionierte Volksopernorchester begleitete die Sänger unter der Leitung von Enrico Dovico meist einfühlsam, manchmal „deutlich hörbar“.
Nach dieser sehr erfreulichen Leistung der Wiener Volksoper kommt nur etwas Wehmut auf, wenn man sich vorstellt, welch herrliches Erlebnis dieser „Rigoletto“ in einer guten Inszenierung in italienischer Sprache hätte sein können. Die Staatsoper hat ja bald Gelegenheit, diese Begehrlichkeiten zu erfüllen.
Maria und Johann Jahnas