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WIEN/ Volksoper: KREATION UND TRADITION oder MIXEDPICKLES AUS DEM BIOLADEN – Ballettpremiere

28.04.2013 | Ballett/Tanz, KRITIKEN

WIEN/ Volksoper: MIXEDPICKLES AUS DEM BIOLADEN. 27.4.2013: Ballettpremiere in der Volksoper


Roman Lazik, Olga Esina. Foto: Staatsballett

KREATION UND TRADITION“ steht als Titel über einer Aufführungsserie des Wiener Staatsballetts in der Volksoper. Neun Programmpunkte, ohne erkennbare Linie aneinander gestückelt, lassen eher an eine bunt gemischte Ballettgala denken. Als wesentlich kristallisiert sich aber dann doch heraus, dass vier Mitgliedern der Kompanie die Chance geboten wurde, sich eigene choreografische Ideen auszudenken und diese zu realisieren. Den neuen Kreationen sei somit in dieser Mixedpickles-Packung, ein bisschen Süßes und ein kleinwenig Saures dazu, der Vorzug gegeben. Die Qualität stimmt bei Alt und Neu, überwiegend zumindest, und der programmatische Zickzackkurs wirkt jedenfalls nicht allzu schwindelerregend.

Zu den Uraufführungen: András Lukács hat sich eine moderne Variante des berühmten 2. Akt-Pas de deux aus TschaikowskisSchwanensee“ einfallen lassen – „The White Pas de Deux“, feinfühlig gedacht und exzellent von Olga Esina und Roman Lazik demonstriert. Andrey Kaydanovskiy macht den Schritt zu einem mit Bühneneffekten angereicherten Tanztheater. Sinniert mit (meist unverständlich gesprochenen) Worten von Georg Gatnar über „Zeitverschwendung“, beunruhigt mit beunruhigender Musik von Dmitry Cheglakov, und wiederholt gelingen ihm dabei leicht gruselige Nachtmahr-Stimmungen von einiger Originalität.

Nächtlich bleibt es auch in Vesna Orlic´ „Out of Tango„. Eine von Helmut Hödl perfekt in aufrauschender Filmmusik-Manier komponierte Tango-Paraphrase gibt ihr die Möglichkeit, über erotische Männerträume und sexuelle Befriedigung (Mihail Sosnovschi, stimuliert von Rebecca Horner und Tangopaaren) ausladend zu phantasieren. Ebenfalls dunkel gefärbt, doch verinnerlichter, um Tiefgründigkeit bemüht, deutet Eno Peci in „Herzblume“ zu einer eindringlichen Musikcollage eine vage Mutter-Kind-Problematik an. Mit einfallsreich gestalteten Bewegungsabläufen und zahlreichen Finessen ist ihm eine tänzerisch stimmige Choreografie geglückt.

Als Bindeglied zu vergangener heimischer Tradition erinnert sich Ex-Primaballerina Susanne Kirnbauer in „Wien Walzer Wiesenthal“ an Grete Wiesenthal, 1885 – 1970, einer der Tanz-Pionierinnen der Wiener Moderne des frühen 20. Jahrhunderts. Schön und fein und schwungvoll mit Johann Strauß. Doch im Wiener Staatsballett gibt es ja (fast) keine Wienerinnen mehr, und somit ist diese spezielle Weichheit, Beschwingtheit, Gemütsnoblesse etc. bereits längst schon verloren gegangen. Brillant tanzen sie aber sehr wohl, unsere aus östlichen Gefilden herbeigeholten Solotänzerinnen. Olga Esina oder Liudmila Konovalova (mit Partner Vladimir Shishov in einem „Bajadere“-Exzerpt) zuzusehen, bereitet gewiss ein Vergnügen. Oder Maria Yakovleva und Kirill Kourlaev in Wassili Wainonens „Moszkowski-Walzer„. Kurz weiter noch, klassisch, mit Irina Tsymbal und Robert Gabdullin in dem „Giselle“-Pas de deux des zweiten Aktes und einem Pas de six aus „Laurencia“ (akademische Grandezza aus der Sowjetära) in diesem von Guido Mancusi dirigierten Mixedpickles-Menü. Das Qualitätszeichen „Aus dem Bioladen“ wäre absolut verdient.  

Meinhard Rüdenauer
 

 

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