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Fotos: Volksoper
WIEN / Volksoper:
IM WEISSEN RÖSSL von Ralph Benatzky
Premiere: 6. Dezember 2024
Das Rössl wiehert Tourismus-kritisch…
Ist ein Werk so oft gespielt, so oft überinterpretiert, letztendlich so abgespielt wie das „Weiße Rössl am Wolfgangsee“, hat es ein Theater damit nicht leicht. Andererseits ist es für ein Haus wie die Volksoper, die immer noch Operette als eine Säule des Repertoires pflegt, meist eine sichere Bank in Bezug auf die Kasseneinnahmen. Also, was tun?
Man engagierte als Regisseur Jan Philipp Gloger, auf den Wien besonders neugierig ist, handelt es sich bei ihm doch um den designierten Direktor des Volkstheaters, und man möchte schon gerne wissen, ob er das Haus in „normale“ Bahnen zurück lenken wird, wo richtige Stücke einigermaßen erkennbar interpretiert werden? Nun, eines ist angesichts seiner „Rössl“-Inszenierung klar: Er ist weder zynisch noch destruktiv am Werk. Und das ist ja heutzutage fast schon selten geworden.
Natürlich, ohne „Interpretation“ geht es nicht, das würde ihm vielleicht das Publikum, nicht aber das Feuilleton verzeihen. Und wo macht sich die Kritik fest? Natürlich an der Tourismus-Ideologie und -Industrie. Nun war das Werk, das 1930 in Berlin heraus kam, immer schon zumindest als Tourismus-Parodie gedacht – allein schon der Gäste wegen, die da am Wolfgangsee zusammen kommen. Der unvermeidliche Preuße, die noch schwerer zu verstehenden Schwaben, und damals hat man in der Figur des „schönen Sigismund“ (in Gestalt des jungen Karl Farkas!) sogar milde über das Klischee des superreichen Juden hinweg gesungen und getanzt. Nun, dass die Österreicher gerne über die „Piefke“ lachen, das tun sie heute noch, ist bekannt, und dass sich die Deutschen immer über die ulkigen Österreicher amüsieren, ist auch noch nicht ganz aus der Mode gekommen. Was gibt es dazu Neues zu sagen?
Gloggers Inszenierung wirkt in einem nicht übertrieben stimmungsvollen Bühnenbild (Christof Hetzer) und ganz heutigen Kostümen (Justina Klimczyk) so, als wollte er das Stück nur flott vom Blatt inszenieren, mit parodistischem Einschlag vor allem in den Chor- und Tanzszenen (Choreographie: Florian Hurler). Einzig verblüffender und auf Anhieb nicht eben überzeugender Effekt: die Rössl-Wirtin muss einen undefinierbaren und leider auch über weite Strecken unverständlichen „ländlichen“ (?) Dialekt sprechen – Oberösterreichisch ist es jedenfalls nicht.
Dieser Dialekt wird später thematisiert, wobei eine „Rössl“-Interpretation im Smartphone-Zeitalter natürlich bei einem „Kaiser“-Auftritt an ihre Grenzen stößt. Den Franz Joseph holt man ja doch nicht mehr für einen Live-Auftritt aus der Kapuzinergruft. Vielleicht gäbe es die ganze Aufführung nicht, hätte das Fernsehen nicht einen parodistischen Ersatz-Kaiser geschaffen, der hier auftritt und sich auf der Bühne ohne weiteres als Robert Palfrader zu erkennen gibt. Er und die Rössl-Wirtin, die ihren Dialekt nun ablegt (angeblich erwarten ihn die Touristen? Die würden allerdings gerne etwas verstehen), diskutieren angeregt über Sein und Schein, über Rollen, die von Personen erwartet werden. Und Glogger führt diese theoretische Ebene noch weiter, auch mit einem klugen, in Länge zitierten Text von Hans Magnus Enzensberger, der über die Kunstwelten sinniert, die für den Tourismus geschaffen werden, um den Reisenden die Illusion einer „Echtheit“ vorzugaukeln…
Man nickt besinnlich mit dem Kopf, ja, alles stimmt, es ist vielleicht nicht der Ort, das zu diskutieren, aber dann geht es ohnedies zügig weiter, zum altbekannten Happy End mit drei Paaren. Da gibt es dann noch die Schlußpointe, dass die Wirtin und ihr Zahlkellner, nun bald ein Ehepaar, das „Weiße Rössl“ verkaufen, weil, wie man erfährt (und sich ohnedies gut vorstellen kann) Hotellerie und Gastronomie Knochenjobs sind, die die Menschen auffressen. Aber auch darüber will man in der Operette nicht unbedingt nachdenken. Dennoch – Glogger hat seine Inszenierung mit diesem „Konzept“ davor bewahrt, als brave Routine abgetan zu werden.
Eine Künstlerin von der Größenordnung der Annette Dasch ist ein Glücksfall für die Volksoper, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich auf so vieles einlässt. So schwierig wie die „Alma“ ist die Josepha Vogelhuber nicht, aber sich die längste Zeit mit dem Dialekt zu plagen und damit als Figur nicht wirklich zur Geltung zu kommen, ist wohl auch kein Spaß. Wo sie kann, zeigt sie ihre bemerkenswerte Selbstironie.
Der in sie verliebte Zahlkellner Leopold wird meist von „Liebhaber“-Typen gespielt, aber der füllige Jakob Semotan zeigt, dass auch Komiker die Rolle tadellos interpretieren können (zumal er ausgezeichnet singt).
Dennoch kommt die stärkste darstellerische Wirkung des Abends von Götz Schubert in der Rolle des Berliner Fabrikanten Giesecke, gerade, weil er so nüchtern und präzise ist und kein krachendes Preußen-Klischee hinstellt, sondern einen glaubhaften Menschen. Glücklicherweise hat er nicht viel zu singen, das kann er nämlich nicht.
Harald Schmidt sucht, nachdem seine Fernsehpräsenz Geschichte ist, offenbar doch die Öffentlichkeit und ist schon zum zweiten Mal an der Volksoper zu sehen. Natürlich spielt er den schwäbelnden Prof. Dr. Hinzelmann nicht als das übliche Intellektuellen-Armitschkerl mit der Reisesucht, aber tatsächlich sind seine Auftritte so kraftlos, dass er kaum zur Geltung kommt.
Robert Palfrader ist Robert Palfrader und wird als solcher benötigt, irgendwelche Magie wie einst, als große alte Burgschauspieler in das Kaisergewand schlüpften, ist natürlich nicht zu erwarten. Palfrader agiert diskret genug, um auch nicht zu besonderer Wirkung zu kommen.
Lustig hingegen Oliver Liebl als schöner Sigismund Sülzheimer und Julia Edtmeier als sein schwäbelndes, wenn auch diesmal nicht lispelndes Klärchen. Sie stechen das andere Paar, David Kerber als Dr. Siedler und Nadja Mchantaf als Ottilie aus. Dazu kommt Christoph Stocker als eifrig zappelnder Piccolo.
Bei Dirigent Michael Brandstätter klingt alles laut, rhythmisch, flott und riß das Publikum schon während der Vorstellung zu permanentem Szenenapplaus hin. Für die Volksoper sollte das ein problemloser Erfolg werden.
Renate Wagner