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WIEN/ Volksoper: GRÄFIN MARIZA

21.05.2014 | KRITIKEN, Operette/Musical

VOLKSOPER WIEN – GRÄFIN MARIZA am 22. Mai 2014

Operette mit zu viel Zuckerglasur

 Eigentlich sollte eine Aufführung exakt zwei Monate nach der Premiere einen idealen Zeitpunkt für die Beurteilung einer Produktion darstellen: Das Werkel läuft noch in aller Frische, aber doch schon geschmiert! Davon kann aber bei dieser Gräfin Mariza an der Volksoper Wien keine Rede sein. Zu sehr hakte es am musikalischen Fluss, den Alexander Rumpf (der einstige Assistent Karajans ist derzeit Chefdirigent am Tiroler Landestheater) am Pult des Volksopernorchesters nie so richtig in Schwung bringen konnte. Vielleicht war es aber auch die nicht sehr geglückte Inszenierung Thomas Enzingers, die sich als Hemmnis erwies und weniger der Kapellmeister. Denn die Rahmenhandlung (Der Diener Tschekko erzählt die ganze Geschichte in Rückblenden einem kleinen Mädchen, das immer wieder in die Handlung stolpert und – speziell im Schlussbild – dadurch poetische und sentimentale Stimmungen zerstört) ist in dieser Meisteroperette Emmerich Kalmans einfach unnötig wie der berühmte Kropf. Und auch das Bühnenbild und die Kostüme Totos driften in pastellfarbenen Kitsch ab, eine stilisierte Blumenlandschaft passt einfach nicht in die ungarische Provinz! Der Verfall des Adels, seine Verarmung, die besondere Situation nach WW I – allesamt notwendige Zutaten für dieses Stück – sind nie spürbar.

 Von der Besetzung her konnte man schon eher zufrieden sein. Daniel Prohaska brauchte als verarmter Fürst Tassilo einige Zeit um seine Stimme auf Betriebstemperatur zu bringen, sein „Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen im schönen Wien“ klang daher etwas schaumgebremst, dann konnte man sich aber an einer eleganten Tenorstimme erfreuen, der man auch einen Aussetzer im Finale gerne verzieh. An seiner Seite zeigte Ursula Pfitzner als Gräfin Mariza wie wertvoll sie für das Ensemble der Volksoper ist: Sie hat diese Rolle schon über zehn Jahre in ihrem Repertoire und gab ihr ein ureigenes Profil – nie übertrieben, dennoch überzeugend, glasklare Spitzentöne, was will man mehr.

 Ob Thomas Sigwald die Idealbesetzung für den Baron Kolomán Zsupán ist, sei einmal dahingestellt. Aber der beim Publikum sehr geschätzte Tenor war in dieser Bufforolle zu sehr in die üblichen ungarischen Klischees gepresst um zu einer eigenständigeren Interpretation zu gelangen, „personalitiy“ dafür hätte Sigwald sicherlich. An seiner Seite zeigte Anita Götz als Lisa, dass ihre Stimme sich immer dramatischer entwickelt und sie wohl bald über solche Partien hinaus sein wird. Der Fürst Populescu (Kurt Schreibmayer) und die Fürstin Božena (Helga Papouschek), die sich im Finale nach 30jähriger Verlobungszeit finden, sind auch im wirklichen Leben ein Paar, Kammerdiener Penižek (Robert Meyer) leitet normalerweise dieses Haus und Annely Peebo (Zigeunerin Manja) komplettierte mit Nicolaus Hagg (als wortdeutlicher Liebenberg) und Michael Gempart (als leider elektronisch verstärkter Tschekko) das Ensemble. Chor (Holger Kirsten) und Ballett (Bohdana Szivacz) agieren leider sehr klischeehaft, einzig eine gelungene Stomp-Einlage brachte frischen Schwung.

 Am Ende bleibt ein schaler Beigeschmack an 2 ¾ Stunden Operettenseligkeit, zuviel Kitsch und keimfreies Theater, zu wenige Sentiment und Poesie! Wohlwollender und endenwollender Beifall.

Ernst Kopica

 

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