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WIEN/ Volksoper: FIDELIO. Premiere

26.05.2014 | KRITIKEN, Oper

Volksoper – FIDELIO – Premiere 25.5.2014

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Fidelio_Foto1_Stefan_ Cerny_Sebastian Holecek_Marcy Stonikas_Chor (c) Barbara Palffy
Stefan Cerny, Sebastian Holecek, Marcy Stonikas. Foto: Barbara Palffy/ Volksoper

 Während der ganzen Aufführung habe ich mich gefragt, warum man dieses Werk eigentlich auf den Spielplan gesetzt hat. Das Argument, dass es bis vor 70 Jahren ein fixer Bestandteil im Repertoire des Hauses war, ist mir etwas zu schwach. Ich halte es in Zeiten, in denen uns die Direktoren dauernd erklären, dass das Geld knapp sei, fast für fahrlässig, eine Neuinszenierung eines Werkes zu präsentieren, dass im anderen Haus der Stadt in einer gültigen Inszenierung auf dem Spielplan ist. Hätte man sich wenigstens entschlossen, die Zweitfassung – unter dem Titel „Leonore“ – oder sogar den Ur-Fidelio zur Diskussion zu stellen, hätte das eventuell Sinn gemacht, aber so?

 Dazu kommt noch, dass man, obwohl es den obligaten Premieren-Jubel gegeben hat, das Projekt als gescheitert ansehen kann. Das beginnt schon einmal bei der Inszenierung. Zugegeben, Markus Bothe hat nicht provoziert, aber wirklich eingefallen ist ihm, außer ein paar Unsinnigkeiten, auch nichts. Die Bühnenbilder von Robert Schweer muß man differenziert betrachten. Im ersten Akt zunächst eine Art Vorgarten – wahrscheinlich von Roccos Haus – bei dem die Leute zunächst das Tor nicht finden, weil sie ständig über den Zaun klettern müssen. Für die ersten Szenen mag das noch angehen, aber man wartete vergeblich, dass sich die Szene beim Auftritt Pizarros in den Gefängnishof verwandelt. Lediglich bei der Arie der Leonore verwandelt sich die Szene kurz – warum gerade dort? Stattdessen kommt Pizarro quasi auf Besuch zur Familie Rocco, die gerade beim Frühstück sitzt. Der Chor während dessen Arie, mit dem der Regisseur offenbar nichts anzufangen weiß, der aber „blöderweise“ in der Partitur steht, singt aus dem Orchestergraben. Zum Gefangenenchor tritt er dann aus einem Art Erdloch im Garten auf und der Akt endet in dieser Gartenidylle.
Durchaus eindrucksvoll ist dann das Kerkerbild. Eine Art Gefängnisturm, der sich während des Vorspiels zur Florestan-Arie aus dem Boden schraubt und in dessen unterster Etage Florestan sein Dasein fristet. Zum Finale versinkt der Turm wieder und gibt den Blick auf ein neutrales weißes Umfeld frei. Die Personenführung bleibt mehr oder wenige konventionell, der Regisseur konzentriert sich lieber auf ein absolutes Muss des zeitaktuellen Theaters, nämlich dass ständig etwas in Bewegung zu sein hat. So legt z.B. Rocco während des Marsches im 1. Akt seine nackten Füße auf den Gartenzaun und dirigiert damit mit, Leonore muss sich während der Arie fast ihrer gesamten Oberkleidung entledigen – was sie übrigens im Finale dann auch tut, während des Eingangschores des Finales müssen die Gefangenen sich ankleiden und während des Schlusschores fahren die Bühnenwände wie wild herum. Zu guter – oder eigentlich schlechter – Letzt pfropft der Regisseur – offenbar auch wieder um Action zu zeigen – eine völlig unnötige Neudeutung des Schlusses auf das Ganze. Pizarro wird standrechtlich guillotiniert und der Minister bietet Rocco den Gouverneursposten an, der aber ablehnt und so wird es letztlich Jaquino.

 Ebenso mißglückt ist die musikalische Seite. Die einzige wirklich gute Leistung bot Sebastian Holecek als Pizarro. Er sang mit wunderbar tragender Stimme – warum er manchmal so forciert verstand ich eigentlich nicht, es wäre nicht notwendig gewsesen – und gestaltete die Rolle sehr überzeugend. Ihm am nächsten kam vielleicht noch Thomas Paul als Jaquino, der mit einer hübschen Spieltenorstimme aufwarten konnte, darstellerisch allerdings etwas blass blieb.

Die Titelrolle sang die Debutantin des Abends, Marcy Stonikas. Die Amerikanerin leidet ja nicht gerade unter mangelndem Selbstbewusstsein, meine sie doch im „Presse“-Interview, dass sie die Rolle an einem Abend zweimal hintereinander singen könnte. An diesem Abend muss sie froh gewesen sein, daß sie es einmal geschafft hat. Eigentlich hat sie nicht wirklich eine Stimme für diese Rolle, denn sie muss ständig gewaltig forcieren, um den Anforderungen gerecht zu werden und in der Höhe wird die Stimme dann eng und etwas schrill. Zudem verfügt sie über kein wirklich spezifisches Timbre und kann die verwirrte Gefühlswelt der Leonore überhaupt nicht glaubhaft machen. Roy Cornelius Smith (Florestan), der vor 8 Jahren einen durchaus annehmbaren Kalaf in der Turandot-Premiere sang, hat zwar eine mächtige Stimme, die er aber nicht wirklich unter Kontrolle hat, was auf technische Probleme schließen läßt. Oft wird er völlig unvermittelt lauter – man spürt direkt, dass er das nicht wollte – und bleibt auch sonst den ganzen Abend über unausgeglichen. Auch darstellerisch kann er nicht überzeugen, vor allen Dingen fehlte mir das Wiedererstarken bei „Töt erst sein Weib!“. Stefan Cerny war ein blasser, hohlstimmig klingender Rocco, dem jegliche Tiefe fehlte, Rebecca Nelsen eine soubrettenhafte Marzelline mit schriller Höhe und Günter Haumer ein blasser Minister.

 Julia Jones am Pult sorgte zwar für ein vernüftiges Tempo, blieb aber sonst jegliche Gestaltung schuldig. Sie setzte keine Akzente, vieles klang beiläufig. Besonders schmerzhaft wirkte sich das z.B. im Vorspiel zum Quartett des 1.Aktes, eine der kostbarsten Stellen der Partitur, aus. Das Orchester war naturgemäß auch nicht in der Lage,viel daran zu ändern. Der Chor – pardon die Damen und Herren des Chores – entledigten sich ihrer Aufgabe mit Anstand.

 Am Ende gab es, wie oben bereits erwähnt, den hausüblichen Premierenjubel, allerdings mit einigen verdienten Buh-Rufen für das Regieteam.

 Heinrich Schramm-Schiessl

 

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