WIEN/ Volksoper:„DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR“- GELUNGENE WIEDERAUFNAHME MIT FRANZ HAWLATA ALS FALSTAFF (2.Jänner 2012)
Falstaff nicht von Verdi sondern von Otto Nicolai – das ergab vor einem Jahr eine recht widersprüchliche Premiere am Währinger Gürtel. Bei der Wiederaufnahme der Produktion von Alfred Kirchner (Ausstattung Christian Floeren) kamen die (Natur-)romantischen Züge der Oper aus dem Jahr 1849 besser zum Zuge – und vor allem die musikalische Realisierung war eindrucksvollr. Ein herrlich junges Ensemble mit vielen Debütanten machten die „Lustigen Weiber“ zur ungetrübten Vergnügen.
Sascha Goetzel – der junge Österreicher am Pult – hatte diesmal ein gleichwertiges, hochkarätiges Ensemble zur Verfügung und nutzte die Chance, um das Volksopern-Orchester und den Volksopern-Chor sowie die Tänzer vom Staatsballetts (Choreographie Gregor Hatala) viel motivierter agieren zu lassen als im Jänner 2011. Der Balance-Akt zwischen romantischer Ironie und Deix-artiger Gesellschaftskritik gelang im Orchestergraben diesmal überzeugend. Mit Franz Hawlata stand immerhin auch ein idealer Sir John Falstaff zur Verfügung. Nach Ausflügen über seine Fachgrenzen hinaus bis hin zum Hans Sachs, kehrt er nun dorthin zurück wo er derzeit unschlagbar sein dürfte: in die deutsche Spieloper. Und so wie sein Entführungs-Osmin allen Vorbildern standhält, ist auch sein Nicolai-Falstaff großartig. Er verfügt über die nötige Höhe und die entsprechende sonore Tiefe und auch in punkto Alter passt er allmählich zu seinen Rollen. Sein „Bübchen klein an der Mutterbrust“ und das Duett Falstaff-Fluth markierte jedenfalls die Höhepunkte einer Vorstellung, auf die man in der Volksoper wahrlich stolz sein kann. Mathias Hausmann sang seinen ersten Fluth an der Volksoper und war in jeder Hinsicht vorbildlich. Ohne Forcieren füllt er den Zuschauerraum, das Timbre ist edel, die Höhe locker. Und das gleiche gilt für Jennifer O’Loughlin als Frau Fluth. Die Wahlösterreicherin aus den USA entpuppt sich nachhaltig als „rising primadonna“ – die Stimme ist rund, die Höhe lustvoll, das Piano seelenvoll. Hier reift eine Opern- und Operetten-Diva der Extraklasse heran. Auch die übrige Besetzung kann mithalten: David Sitka ist – als Debütant in der Volksoper -ein Fenton, dem nur für die große Arie die Lyrik fehlt: ansonsten ist der Feschak fast zu heldisch unterwegs. Stefan Cerny als Reich lässt sich zwar wegen Verkühlung entschuldigen, man merkt aber nichts. Bernarda Bobro ist eine herrliche Anna – lyrisch-makellos mit einer geradezu feenhaften Attitüde. Und postiv fallen auch Sulie Girardi als etwas herbe Frau Reich, Karl Michael Ebner als klemmiger Spärlich und Michael Havlicek als komplexbeladener Cajus auf.
Die surreale Natursymbolik der Ouvertüre – mit dem Hasen als Falstaff-Gefährten – wird zuletzt fast durch das Schlussbild bedroht. Hier wird zuviel getanzt, gemobbt und primitiv „angebaggert“ – und doch löst sich das „Höllenspektakel“ zu einer wunderbaren Apotheose der Liebe auf. Die neunte Vorstellung der „Lustigen Weiber“ war jedenfalls besser als die erste.
Peter Dusek