Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Volksoper: DIE LETZTE VERSCHWÖRUNG von Moritz Eggert. Vorstellung vom 30.3.

Volksoper am 30.März 2023 „Die letzte Verschwörung“ von Moritz Eggert

 „Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht etwa an nichts mehr, sondern an alles“

 Seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden hat es immer schon Verschwörungstheorien (Die Erde ist eine Scheibe) gegeben, gestärkt durch den Glauben, der die Menschheit in die Irre geführt hat. In dieser hysterischen Surrealität, begleitet auch von Vorurteilen gegen verschiedenste ethnische Gruppen, wurden seit Jahrtausenden Kriege geführt, die ebenso Hunger und Leid in diese Welt gebracht hat. Der Glaube, aber auch die Gier ist die eigentliche Wurzel allen Übels – es trägt in dieser Welt alles dazu bei, die Vernunft zu verderben, das Wissen zu ersticken und den Menschen vor der Wahrheit zu warnen.

Selbst Journalisten und Nachrichtensprecher haben inzwischen verlernt zu hinterfragen, denn es werden gerade in den heutigen medialen Nachrichten, alle Geschehnisse und das was vorgegeben wird, nur noch nachgeplappert, offenbar in dem Glauben dass es der Wahrheit entspräche; wo die Presse oft selbst zwischen Lüge und Wahrheit, zwischen Realität und Surrealität nicht mehr zu unterscheiden weiß. Willkommen in der digitalen Welt der Datenströme, wo die Masse gefüttert wird mit Millionen von Informationen, begleitet von Hasstiraden,  Cyberangriffen, Verbreitung medialer Verblödungsstrategien, wo über Mainstream ein jeder nackt sich der geistigen aber auch körperlichen Entblößung preisgibt,  in Form einer Beweihräucherung, sich freiwillig einer Gehirnwäsche unterzieht, sich in dem Strudel der Internetsucht bewegt, das nicht nur in eine Abhängigkeit sondern auch zu einer Versklavung führt, wo wir ebenso manipuliert, und das uns außerdem auch systematisch in die Vereinsamung führt.

Naturalistischer hätte man dieses Bühnenwerk nicht bearbeiten können, so wie es der Schöpfer Moritz EGGERT (Librettist und Komponist) getan hat, wo alle Elemente dieser bizarren Welt miteingebunden, dass einerseits grotesk, aber eben doch als Spiegel der Gesellschaft, uns immer wieder verdeutlicht, in was für einer kranken Welt wir leben. Über die Macht gentechnischer Veränderungen, über den angeblichen Zauber der Datenströme, medialer Gehirnwäsche, bis hin zu außerirdischen Wächtern und allgemeiner Versklavung des Systems im 21.Jahrhundert, wird der Zuschauer mit einer Thematik konfrontiert, die nachdenklich machen sollte. Auch wenn hier einige Kritiker und auch Besucher die Nase rümpfen und der Meinung sind, das so ein absurdes Drama in einem musikalischen Werk auf der Bühne nichts zusuchen habe. Doch die Absurdität ist gegenwärtig, egal ob im Sprech- oder Musiktheater. Wobei es auch die Avantgarde immer schon gegeben hat.

Es ist an der Zeit wo wir uns von alten Klischees endlich verabschieden müssen. Und dieses Bühnenwerk ist keineswegs trivial sondern entspricht dem Zeitgeist einer Generation die sich mit dem Narrativ einzelner Werke auseinandersetzen muss. Jedoch dieses exorbitante Bühnenwerk vom Komponisten Moritz Eggert ist keineswegs als Operette, geschweige denn als Musical zu bezeichnen, sondern schlichtweg als zeitgenössisches Opernwerk des 21.Jahrhunders, worüber man sich als Auflösung des Ganzen vielleicht noch einmal Gedanken machen sollte. Denn die Figur Quant, dargestellt vom Protagonisten Timothy FALLON, dem sein ganzes bisheriges Leben nur eine Computersimulation gewesen sein soll, erscheint einem doch eher als banal. Denn obwohl einiger Groteske ist das Thema durchaus ernst zu nehmen! Wo hinter Verschwörungstheorien immer wieder eine Gefahr lauert, und hier auch durch die mediale Gehirnwäsche, und das Verlernen des Nachdenkens, eine sogenannte allgemeine Primitivität und ein Analphabetismus entstanden ist – wodurch die Menschheit Sklaven eine Systems geworden sind dass von aller Realität weit entfernt ist.

 

Musikalisch rückt dieses Werk zunächst weniger in den Vordergrund als vom textlichen und in seiner gesamten Darstellung. In der Inszenierung von Lotte de BEER durchaus akzeptabel und interessant in Szene gesetzt. Das Bühnenbild von Christof  HETZER fulminant, eine einzige virtuelle Faszination. In einer Welt zwischen „Schein und Sein“ wurden auch die Kostüme (Jorine van BEEK) für Ballett und Protagonisten passend gewählt. Video – und Sounddesign (Roman Hansi, Christof Hetzer und Martin Lukesch) taten ihr Übriges dazu um dieser Inszenierung den dementsprechenden Glanz zu verleihen. Neben den Protagonisten sind insbesondere Timothy FALLON und Rebecca NELSEN mit ihrer bravourösen Stimme, wo sie neben Popgesang besonders auch in den hohen Tönen überzeugen konnte, hervorzuheben. Insgesamt war es ein gut zusammengestelltes Ensemble (Solisten, Ballett und Chor) die in einem mit Tempo gespielten Szenenablauf durchaus überzeugen konnten. Die Stimme aus dem Off selbst von Moritz Eggert gesprochen gab der Inszenierung erst den richtigen Touch, wo sich immer wieder die Frage stellte, was ist real und surreal. War alles vielleicht nur ein Traum?

Sehr real waren indessen seine Kompositionen, wo er vielleicht unbewusst musikalische Elemente von Strawinsky, aber auch fünf Takte aus „Phantom of the Opera“ miteinfließen lässt. Hier ergaben sich total neue Klangwelten in die man sich erst hineinhören musste. Oft mit Pauken und Trompeten und vielen Hörnern prägte dieses Werk, das zwar keine Ohrwürmer verspricht, aber doch überdimensional in seiner musikalischen Gesamtheit jenes einst gängige Genre übertrifft.

Musikalische Passagen die sicherlich auch für den Dirigenten Steven SLOANE, aber ebenso auch für die Solisten kein leichtes Unterfangen waren, aber dennoch bravourös gemeistert wurden. „Zwischen den tiefsten Abgründen der Menschheit“, „Leichenfressern“, „Mainstream Verschwörern“ und „außerirdischen Wächtern“ wird auch des Universums bedacht wo sich die Frage stellt: Kann das alles nur ein Zufall sein? Und gibt es sie wirklich die Außerirdischen deren Augen auf unser Raumschiff Erde gerichtet, und ein darüber stehender Gott der das „Ungeziefer“ Mensch vernichten wird. Oder werden wir uns durch nukleare Kriege und Klimakatastrophen eines Tages selbst vernichten? Das es intelligente Aliens und Außerirdische, deren Auge über unsere Zivilisation wacht, gibt, ist bisher reine Spekulation, es gibt bisher auch keinen wissenschaftlichen Beweis dafür. Also bleiben wir doch bei der Theorie „Das der menschliche Glaube, der nach dem eigentlichen Sinn und der Wahrheit ständig auf der Suche ist, hier einem ständigen Irrtum unterliegt“.

Es ist wahrlich ein großartiges Bühnenwerk von Moritz Eggert das viele Fragen aufwirft und welches grandios in Szene gesetzt ist. Es ist zeitgemäß in einer digitalen Welt wo in Zukunft auch durch die künstliche Intelligenz die Menschen immer mehr an Kreativität, Objektivität und geistiges Wissen verlieren. Wo sich die Frage stellt: Brauchen wir überhaupt noch eigenständige kreative Komponisten, Literaten und Schriftsteller, wenn sie in naher Zukunft durch KI ersetzt werden? Ein System das die Individualität eines jeden Menschen zerstört und auch in die Einsamkeit treiben wird. Das übrigens jetzt schon bei den immer mehr zunehmenden medialen sozialen Medien zu beobachten ist.

Ein Werk das insbesondere ein junges Publikum anspricht – welches auch am Ende des Finales mit dementsprechendem Applaus gewürdigt wird. Diesem so opulenten Musikwerk fehlt momentan noch die wahre Anerkennung seitens Kritiker und Zuschauer. Kann aber in einigen Jahren durchaus zu einem Welterfolg führen, wenn man die Dinge eines Tages so betrachtet, dass die Welt durchaus real ist, aber nur dann, wenn wir uns von der Abhängigkeit medialer Verschwörungstheorien, der Manipulation und der allgemeinen weltlichen Versklavung für immer befreien, um unser eigenes Bewusstsein, Moral und Würde, und unsere eigene Identität und  Kreativität wieder zurückerlangen. Ist vielleicht auch dies nur eine Wunschvorstellung oder ein Traum? Denn nichts ist – wie es scheint. Denn Eggert selbst bezeichnet sein Stück als „parodistischen Ritt“. Aber ist es wirklich nur eine Parodie oder steckt auch eine Warnung dahinter – dies sollte jeder Besucher für sich selbst entscheiden.

Manuela Miebach      

 

 

Diese Seite drucken