WIEN / Volksoper:
DIE FLEDERMAUS von Johann Strauß
Festvorstellung zum 40. Bühnenjubiläum von KS Ulrike Steinsky
10.November 2022
Für die Volksoper war es in erster Linie der Abend, um Ulrike Steinsky zu ehren, die vor 40 Jahren in Koloraturpartien an der Staatsoper debutierte, bald an die Volksoper wechselte und hier seit Jahrzehnten geschätztes Ensemblemitglied ist. Direktorin Lotte de Beer fand liebevolle Worte der Anerkennung. Ulrike Steinsky gedachter zweier verstorbener Künstler, denen sie so viel verdankt – Robert Herzl, der sie an der Volksoper etablierte, und Hilde Zadek, die ihr eine so unverwüstliche Gesangstechnik bescherte, dass sie noch immer singen kann.
Für Theaterfreunde war es der Abend, der erstmals Stefanie Reinsperger als „Gerichtsdienerin“ Frosch präsentierte. Und im übrigen konnte man die Besichtigung dessen nachholen, was Carsten Süss mit dieser in den schönen Bühnenbildern von Pantelis Dessyllas dargebotenen „Fledermaus“ szenisch unternommen hat. Was das geringste Vergnügen des Abends war.
Denn das Motto hieß unverständlicherweise grobschlächtig bis gewöhnlich, eine Art „Prolo-Fassung“ der doch so eleganten Operette, sprachlich heruntergezogen, neue blöde Witze, wenig gute alte. Die Protagonisten ließen sich unterschiedlich darauf ein, im Ganzen fehlte der Aufführung jegliches goldene Operettenflair. Das kann doch nicht die Intention der Direktion sein, auf solchem Niveau zu agieren und seinem Publikum zu zeigen, wie gering man seinen Geschmack einschätzt.
Durchwachsen die Besetzung, wobei das Lob für die Rosalinde der Ulrike Steinsky sicher kein Geschenk zum Jubiläum ist, da man es auch abmildert, weil sie sich um einiges zu sehr auf die ordinäre Sprache herabgelassen hat, die hier offenbar verlangt wurde. Aber sie sieht sehr gut aus, hat im kleinen Finger, wie Operette geht, muss stimmlich nie um Entschuldigung bitten und sang vor allem den Csardas so, wie man ihn nicht alle Tage hört, auch nicht an der Staatsoper.
An ihrer Seite auch ein Veteran des Hauses, Sebastian Reinthaller, der sichtlich gesetzter geworden ist, aber der Eisenstein ist schließlich kein schöner Prinz, sondern ein ungetreuer Ehegatte, und da passt das ganz gut. Er ließ sich die Eleganz der Rolle weniger abkaufen als seine Partnerin, war tenoral sicher und vermittelte stets den Eindruck, dass ihm die Sache Spaß machte.
Eine gewisse Unebenheit der Besetzung zeigte sich auch daran, dass neben diesem Paar sowohl der Dr. Falke (Ben Connor, lebhaft, aber nicht mit allzu viel Stimme) und der Alfred (ein flott mit tenoralen Höhen los schmetternder David Kerber) wie ihre Söhne wirkten, und solcher Generationenabfall ist dann nicht wirklich günstig.
Enttäuschend vor allem Adele und der Gefängnisdirektor. In Beate Ritter hatte das Haus einst eine filigrane Sängerin mit unglaublichen Koloraturen, in Hedwig Ritter bekommt man nun in jeder Hinsicht jene Grobschlächtigkeit, die die Inszenierung auszeichnet. (Mit ihrer Schwester kommt in Gestalt von Mila Schmidt die totale Primitivität ins Spiel.) Und Marco Di Sapia ist eine schreiende Fehlbesetzung. Nicht nur, weil die Rolle des Frank vom Charakter her einen „gestandenen Mann“ verlangt, es braucht auch die entsprechende Stimme, und der sonst so oft hoch geschätzte klapperdürre Sänger hat weder das eine noch das andere. Wie er „besoffenen“ in Slapstick-Manier durch das Gefängnis zappelt und dabei kein Ende findet, hätte fast den dritten Akt ruiniert. Stephen Chaundy als Dr. Blind outrierte weit weniger (hat aber auch weniger zu tun).
Bleibt der erste Gewinn des Abends, Wallis Giunta, die sich in Freyers „Cenerentola“-Inszenierung als Angelina im Haus vorgestellt hat, war der attraktivste, souveränste Prinz Orlofsky seit langem, ein heller Mezzo mit Durchschlagskraft, eine nachhaltige Bühnenerscheinung.
Ja, und dann ging es ja eigentlich um den Frosch. In der Wiener Staatsoper hat man sich an die Idee gewöhnt, dass man sich bis zum eigenen Lebensende mit dem Frosch von Peter Simonischek langweilen muss (was für ein Sesselkleber er ist, hat er ja auch als Jedermann bewiesen). Da bietet die Volksoper Abwechslung, aber die ist unter Lotte de Beer ja sehr, sehr weiblich geworden – oder „gender-fluid“, wie die aktuelle Froschin es ausdrückte. Da wird nicht nur demnächst Sona MacDonald Mackie Messer sein, da sollte schon Maria Happel den Frosch geben (aber da sie viel mehr annimmt, als sie machen kann, hat sie abgesagt), dann kam Sigrid Hauser – und nun mit Stefanie Reinsperger eine Schauspielerin, die gerade in letzter Zeit (nicht zuletzt durch ihre „Beschwerde-Memoiren“) sehr viel Beachtung gefunden hat.
Sie bekam auch Auftrittsapplaus – und hat ihn sich nachträglich mehr als verdient. Sie hat die Rolle gänzlich auf sich zugeschnitten, spielt keinen versoffenen Pseudo-Mann, sondern eigentlich sich selbst – ihr erster Auftritt ist die reinste Kabarettnummer mit vielen persönlichen Anspielungen (auf das viel gescholtene Kleid der Buhlschaft und auf diese Rolle), mit jeder Menge Gender-„Scherzen“ (einige davon bitter: Ich werde lachen, wenn Sie mir so viel zahlen wie einem Mann), dazu die unvermeidlichen Politwitzchen um Schmid & Co und österreichische Polit-Usancen, ohne dass es allzu penetrant wirkte. Wo die Männer sich auf die Witze draufsetzen, lässt sie sie mit einem falsch-unschuldsvollen Lächeln fallen… Dazu kommt, dass sie sprechen kann, Pointen setzen, zuhören und reagieren – die meisten Männer haben sich in dieser Rolle zu sehr damit zufrieden gegeben, im Suff herum zu schwanken. Die Reinsperger spielt quasi den weiblichen Kommentar zu Frosch, und das muss man wirklich gesehen haben.
Neben ihr war das Orchester unter Alfred Eschwé, der Operette spürbar im kleinen Finger hat, der Gewinn des Abends. Wie präzise und dabei schwungvoll, ohne einen Hauch von müder Routine diese „Fledermaus“ abschnurrte, stellt einem Operetten-Haus ein besseres Zeugnis aus als die „Szenische Neueinstudierung“, die man dem Werk verpasste. Vielleicht kann man da einiges zurück-bessern?
Renate Wagner