Wien: DER TEUFEL AUF ERDEN von Franz von Suppé – Premiere Volksoper-19.5.2021
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Robert Meyer, Christian Graf. Foto: Johannes Ifkovits/Volksoper Wien
Franz v. Suppé, ein Zeitgenosse von Johann Strauss, gehört mit zu den wichtigsten Komponisten der sogenannten „Goldenen Operettenära“. Er schuf über 30 Bühnenwerke, von denen aber nur – und dieses Schicksal teilt er mit vielen Komponistenkollegen – wenige einen mehr oder weniger ständigen Platz im Repertoire der Theater erlangen konnten. Das bekannteste und wahrscheinlich gelungenste ist „Boccaccio“, dann noch „Die schöne Galathée“ und ev. die „Banditenstreiche“. Von einigen anderen Operetten, wie „Flotte Bursche“ oder „Leichte Kavallerie“ kennt man in der Regel die Ouvertüren, die gelegentlich in Konzerten zu hören sind.
„Der Teufel auf Erden“ gehört zu diesen vergessenen Werken und wurde 1878 im Carltheater in Wien uraufgeführt. Das Libretto stammt von Karl Juin und Julius Hopp.
Die Handlung ist rasch erzählt: In der Hölle gibt es einen Aufstand, man ruft nach einer Verfassung, einem Parlament und Pressefreiheit. Satanas, der Fürst der Unterwelt und sein Haushofmeister Mefistofeles wollen die Revolte gemeinsam mit den Ministern Lucifer, Samuel und Beelzebub niederschlagen. Diese drei sind aber von einem Urlaub auf der Erde nicht zurückgekehrt. Satanas und Mefistofeles begeben sich daher auf die Erde um die Drei zu suchen und geraten dabei in allerlei Abenteuer, unter anderem auch eine Liebesgeschichte, für die es natürlich ein Happy-End gbt. Ebenso kann in der Hölle die alte Ordnung wieder hergestellt werden.
In seinen Grundzügen ist das Werk Zeitkritik in Offenbach-Manier, die dem Zuschauer einen Spiegel vor Augen halten soll.
Anläßlich des Suppé-Jahres 2019 wurde das Werk in Chemnitz in einer Koproduktion mit der Wr. Volksoper wieder zur Diskussion gestellt – der Online-Merker hat darüber berichtet. Regisseur Hinrich Horstkotte, der auch für Bühnenbilder und Kostüme verantwortlich ist, hat für diese Produktion die Handlung sanft aktualisiert, indem er Satanas in den Höllenknecht Ruprecht verwandelte und ihm als Begleiter statt Mefistofeles den „Engel außer Dienst“ Rupert zur Seite stellte. Die drei teuflischen Minister tragen nur mehr ihre „Erdnamen“, nämlich Aglaja, Donnersbach und Satan. Zumindest der Text der Dialoge wurde von Alexander Kuchinka neu gefasst und zudem für die Wr. Produktion vom Regisseur und Christoph Wagner-Trenkwitz neu eingerichtet. Auf der Suche nach den drei Abtrünnigen lässt er Ruprecht und Rupert durch drei verschiedene Jahrhunderte wandern, wobei der 3. Akt heute spielt und ein Jungdamen- und Jungherrenkomitee bei einer Opernballprobe zeigt. Letzeres wirkt irgendwie aufgesetzt. Zusätzlich gibt es im 3. Akt dann noch ein Coupletduett von Ruprecht und Rupert für das Robert Meyer den Text samt zwei Zusatzstrophen gedichtet hat, eine – nahezu unvermeidbar – über die Chat-Affaire und eine über die Theater während der Corona-Krise.
Trotz allem bestätigt sich wieder einmal die alte Weisheit, dass Werke selten zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Der Abend zieht sich, denn die Musik ist nicht sehr einfallsreich. Es fehlt der mitreissende Schwung sowie eine abwechslungsreiche Melodik und es gibt praktisch keinen einzigen „Schlager“. Beim Verlassen des Hauses hat man sie praktisch schon wieder vergessen. Zu hinterfragen wäre auch noch, wer die Schnapsidee hatte, als Zwischenspiel vom 2. zum 3. Akt die Ouvertüre zu „Leichte Kavallerie“ auszuwählen. Dieses großartige Stück Musik – viele große Dirigenten haben es nicht umsonst zumindest für die Schallplatte aufgenommen – vervielfacht nur den mäßigen Eindruck der Musik des Werkes. Dazu kommen noch viel zu lange Dialoge, die auch nicht gerade zur Erhöhung der Spannung beitragen.
Horstkottes Inszenierung hat durchaus Schwung und auch Humor, vermag aber an der müden Stimmung des Abends nichts zu ändern. Die Bühnenbilder und Kostüme waren hübsch in bester Volksoperntradition. Die Choreographie von Florian Hurler war konventionell.
Erfreulich der musikalische Teil des Abends. Auf Alfred Eschwé ist bei Operetten immer Verlass. Mit dem gut disponierten Orchester versuchte er das Beste aus der Partitur herauszuholen. Gut auch der von Thomas Böttcher einstudierte Chor.
Die Sängerinnen und Sänger mussten in jedem Akt eine andere Person darstellen. Theresa Dax sang Amanda/Amalia/Amira recht hübsch, hatte aber doch eine etwas zu kleine Stimme. Auch darstellerisch blieb sie blass. Johanna Arrouas (Isabella/Isolde/Ilvy) brachte mehr Persönlichkeit mit und war auch stimmlich überzeugender, auch wenn mancher Spitzenton etwas scharf ausfiel. David Sitka war als Reinhart/Reinwald/Reiner sowohl darstellerisch als auch stimmlich überzeugend. Carsten Süss als Isidor/Isbert/Immanuel war stimmlich wesentlich besser als zuletzt und auch darstellerisch zufriedenstellend. Marco di Sapia in den Rollen der drei abtrünnigen Teufel konnte sowohl stimmlich als auch darstellerisch überzeugen. Michael Havlicek ergänzte in vier weiteren Rollen und Verena Scheitz mußte als Frau Zimmermann-Großfeldt einen Lotte Tobisch-Verschnitt darstellen, wobei selbige nie solche Kraftausdrücke verwendet hätte.
Bleiben noch die beiden Hauptdarsteller Robert Meyer (Ruprecht) und Christian Graf (Rupert). Meyer spielte seine Rolle so, wie man es von ihm seit vielen Jahren gewohnt ist und konnte dabei durchaus überzeugen. Allerdings wurde er von Graf, der wie immer hinreissend argierte, über weite Teile des Abends in den Schatten gestellt.
So richtig wollte der Funke an diesem Abend trotz der allgemeinen Freude, wieder ins Theater gehen zu können, nicht überspringen und blieb der Schlussapplaus doch etwas müde.
Heinrich Schramm-Schiessl