Fotos © Barbara Pálffy / Volksoper Wien
WIEN / Volksoper:
DAS VERZAUBERTE SCHWEIN
Ein musikalisches Märchen von Jonathan Dove
Eine Produktion des Opernstudios der Volksoper Wien
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 4. Mai 2025
Seid lieb zu dem Schwein!
Während sich die gegenwärtige Theatersaison ihrem Ende zuneigt und andere Häuser nur noch ihre letzten Premieren vor den Festwochen tröpfeln lassen, setzte die Volksoper einen starken Doppel-Akzent auf Kinder- und Jugendoper. Auf „Nurejews Hund“, eher für die etwas Größeren gedacht, folgte nun mit „Das verzauberte Schwein“ eine echte Kinderoper für die Kleinen (und ihre Begleitpersonen).
Die Volksoper übertrug die nicht einfache Aufgabe der Realisierung ihrem haueigenen Opernstudio, brachte die Premiere im Haupthaus heraus und wird die weiteren Aufführungen im MuTh spielen. Dabei lernt man als Österreichische Erstaufführung ein Werks des produktiven englischen Komponisten Jonathan Dove kennen, der hierzulande noch nicht sonderlich oft in den Spielplänen aufgetaucht ist (allerdings 2007 in der Kammeroper mit „When she died“, der Oper über Prinzessin Diana).
Da hat also ein König drei Töchter, und kaum dreht der ihnen den Rücken zu, sind sie schon ungehorsam und blättern im Buch des Schicksals. Da stellt sich heraus, dass Flora ein Schwein als Gatten erhalten soll, das ein verzauberter Prinz ist. Die Moral der Geschichte ist für kleine Zuschauer nachdrücklich klar. Zu allererst: Sei lieb zu allen. Indem Flora das Schwein, das kein rosa Schweinchen aus dem Bauernhof ist, sondern ein gewaltiger Eber, liebevollst behandelt, scheint einer Erlösung nichts im Wege zu stehen.
Aber es gibt kein Märchen, das nicht davon erzählte, dass es das Böse in der Welt gibt. Auch hier ist es eine Haxe, die den verzauberten Prinzen für ihre eigene Tochter will und die naive Flora austrickst. Nun muss sie buchstäblich – auch das ist eine Moral – durch die Winde, den Mond und die Sonne wandern, bis sie ihren Geliebten wieder findet, der mittlerweile von der Tochter der Hexe mit Koloraturen umgurrt wird. Aber, auch das ist eine Moral: Wenn man klug ist und die Rivalin nun seinerseits austrickst, steht dem Glück zweieinviertel Stunden nach Spielbeginn nichts mehr im Wege… Die Liebe siegt immer. Zumindest im Märchen.
Die Geschichte vom „verzauberten Schwein“ beruht auf englischen Märchen, die wir nicht kennen, also muss man den Kindern vielleicht ein paar Hinweise geben, denn wie meist versteht man den Text (obwohl Deutsch gesungen wird) nicht ganz, und Figuren wie „Der König des Ostens“ oder der „Nordwind“ sind nicht so leicht zu erkennen wie beispielsweise der „Mond“. Aber andererseits bricht eine Fantasy-Welt ja auch über die von der Optik entzückten Betrachter herein, ohne dass man zu jedem Detail eine Erklärung verlangt.
Maurice Lenhard, der seit der Saison 2022 / 23 das Opernstudio der Volksoper leitet, inszenierte in der phantasievollen Ausstattung von Christina Geiger lustig und liebevoll und führte seine acht Darsteller, die „alles“ spielen müssen und auch ihr eigener Chor sind, zur Zufriedenheit.
Hannah Fheodoroff ist eine rührend um ihre Liebe kämpfende Prinzessin Flora, Smelo Mahlangu entpuppt sich nach seiner Schweine-Existenz als schöner schwarzer Prinz, Chelsea Guo als böse Rivalin agiert höchst überzeugend, und auch alle anderen (Mira Alkhovik, Camila Aguilera Yáñez, Seiyoung Kim, Stanisław Napierała und Trevor Haumschilt-Rocha) zeigen, dass sie im Opernstudio genug gelernt haben, um auf einer Bühne zu bestehen.
Das seltsamste, gelegentlich befremdliche Teil des Abends ist die Musik, die von Kaapo Ijas geleitet wurde. Nun ist Jonathan Dove ein mit so vielen Werken erfolgreicher, erfahrener Künstler, dass man davon ausgehen kann, dass er weiß, was er tut. Er verweigert dem „Schwein“ einen durchgängigen Stil. Dass er weder Humperdinck noch Musical beschwören will, um musikalisch schlicht und einfach zu gefallen, ist in Ordnung. Oft hört man tatsächlich, welchen Komponisten er stilistisch gerade nachempfindet (es sind viele verschiedene), und da mischt sich uneinheitlich Tonales, Schwungvolles und dann wieder so „Modernes“, dass den Kids mit schrillen Tönen klar gemacht wird, dass Oper nicht nur Mozart ist, sondern auch andere, weniger angenehme Töne zu bieten hat.
Glücklicherweise war das zahlreich vorhandene kindliche Publikum von der bunten Geschichte so angetan, dass es den stellenweise seltsamen Score des Ganzen nicht hinterfragte.
Renate Wagner