Volksoper: Sensible Witwe und knackiger Senior (2.3.2024)
Anett Fritsch, Daniel Schmutzhardt. Foto: Youtube
Gar so lustig ist sie ja nicht, unsere neue „Lustige Witwe“ in der Volksoper. Die Pariser Opernregisseurin Mariame Clément ist zwar recht energiegeladen, doch mit eher blass gebliebenem Operettencharme nach Wien gekommen. Dem nicht gerade Operetten-beseelten jüngeren Publikum macht dies weniger aus. Doch manch reiferer Besucher, noch von Franz Lehárs genialer Melodienfolge und ans Herz gehenden duftigen Gefühlen verwöhnt, wendet sich lieber ab.
Ganz so mag dies vielleicht nicht stimmen. Die Musiknummern, Hit auf Hit aus besseren Wiener Musiktagen – 1903 hatte Lehár mit den „Ballsirenen“ oder dem „Vilja-Lied“ die Operettenfreunde im Theater an der Wien beglückt – werden von Musikchef Ben Glassberg recht resch serviert. Passt. Doch Cleménts Inszenierung ist auf die Erzählung ausgerichtet: In dieser Bearbeitung ist aus dem unverwüstlichen Charmeur Graf Danilo bei ihr nun ein (noch einigermaßen) knackiger Senior geworden. Auf angegraut geschminkt gelingt Daniel Schmutzhard eine klare Charakterzeichnung. Überzeugend in Spiel und Gesang. Im Brennpunkt steht jedoch Anett Fritsch als Hanna Glawari, die umworbene steinreiche Witwe. Nun auch nicht mehr die Jüngste. Verhalten und unantastbar eine große Dame. Die beiden, vor Jahren in ihrer Heimat ein Liebespaar, gestalten musikalisch wie darstellerisch sehr fein zwischen Eifersucht, Ablehnung und Anziehung wechselnd das Zusammenfinden, das Aufbauen einer neuen Beziehung, das Liebesbekenntnis.
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Bewegt und doch eher poesielos wirken die Aufmärschen des Chores auf der rotierenden Drehbühne. Schwere blaue Vorhänge, im Szenenwechsel immer wieder mit fleißig benutzten Türchen dazwischen, dominieren das Bild, schaffen nicht so ganz eine heimelige Operettenatmospähre. Die Entourage rund um unsere sensible Witwe zeigt sich sehr spielfreudig und sympathisch, die zahlreichen ihnen zugewiesenen Gags bleiben unterschiedlich originell. Flott und keck schwingen die Grisetten ihre Beine in der Höhe. Somit: Eine neue „Lustige Witwe“ ist hier für die Wiener gelandet, der derzeitigen Inszenierungs-Manier angepasst. Lebensdauer? Franz Lehárs „Lippen schweigen“, „Ich bin eine anständige Frau“, „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“ – wertvollere Töne gibt es auf der Operettenbühne nicht.
Meinhard Rüdenauer