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WIEN / Vienna’s English Theatre: WOODY SEZ

12.09.2016 | KRITIKEN, Theater

English Theatre, Woody Guthrie x

WIEN / Vienna’s English Theatre:
WOODY SEZ
The Life & Music of Woody Guthrie
Devised by David M. Lutken with Nick Corley
Premiere: 12. September 2016

So ändern sich die Zeiten: Wer heute „Woody“ sagt, meint nur einen, Filmemacher Woody Allen. Aber in den Jahren nach dessen Geburt 1935, gab es in den USA einen anderen und nur einen „Woody“: den politischen Sänger und Texter Woody Guthrie. Selbst wenn man von ihm noch nichts gehört haben sollte – „This Land Is Your Land“ kennt jeder, Amerikas zweite und wohl schönere Hymne als das pathetische „God bless America“. Denn Woody Guthrie hatte klar gestellt, dass dieses Land allen gehört – nicht nur den Reichen…

Wer nun Näheres über Woody wissen will, was sich wirklich lohnt, dem ist der Abend in Vienna’s English Theatre dringend angeraten. Der auf Anhieb unverständliche Titel „Woody Sez“ ist in jenem (nicht ganz leicht verständlichen) amerikanischen Unterklasse-Slang gehalten, den man reichlich zu hören bekommt – „Sez“ ist „Says“, Woody sagt, oder, anders formuliert: Also sprach Woody Guthrie… Denn er hatte auf die schlichte Art der amerikanischen Folk-Songs, deren Gründervater er war, vieles und vor allem Politisches zu sagen.

Der Abend, dem man David M. Lutken als Gestalter und in der Rolle des „Woody“ verdankt, umreißt ein mehr als tragisches Leben: Woody, geboren 1912 im tief ländlichen Oklahoma, hatte viel zu stemmen. Er stammte aus ärmsten Verhältnissen, die Mutter, mit der er schon als Kind sang, starb am Huntington-Desease, einer Gehirnerweichungs-Erbkrankheit, an der er selbst auch 1967, erst 55jährig, zugrunde ging. Er musste eine kleine Schwester, später eine kleine Tochter begraben, er zog hungernd durchs Land, sah mit wachen Augen die Katastrophe der „armen“ USA in den dreißiger und vierziger Jahren.

Und er formulierte das in Protest-Songs, die vom Establishmet viel Widerstand erfuhren. Wer immer nach ihm kam, von Bob Dylan bis Leonard Cohen, ist gewissermaßen sein Sohn, trägt das Erbe eines kritischen Amerika mit, dessen Unterschicht einst erst durch Woody – der immer wacker links und zu Recht gegen die Reichen war – eine musikalische Stimme gefunden hatte. Von seinen über tausend Liedern bietet der Abend gut zwei Dutzend extrem wirkungsvolle…

Ein rundes Porträt von Woody bringen vier Darsteller, die alle exzellente Sänger und Musiker sind (gut ein Dutzend Instrumente liegt und steht auf der Bühne herum, jeder holt sich, was er braucht, von Gitarre bis Harmonika, Geige bis Kontrabaß), in einer lockeren, aber nie billigen Revue des traurigen Lebens auf die Bühne – und weil die Melodien des amerikanischen Country, Western und Folk so unwiderstehlich sind, schleichen sich die Melancholie und Depression, die aus all dem spricht, quasi nur hinterrücks ein.

David M. Lutken als Woody – Fotos zeigen, dass er dem hageren Original tatsächlich sehr ähnlich ist – trägt den Abend wundersam, ein Erzähler und Darsteller, der immer fesselt. Und wenn man heimkommt und sich zur Erinnerung den originalen „Woody“ auf YouTube anhört, muss man ehrlich zugeben, dass Lutken auch noch die schönere Stimme hat. Wie auch immer – er ist perfekt und seine drei Partner, der köstlich robuste David Finch sowie Helen Jean Russell und Megan Loomis als späte „All American Girls“ mit wundervollen Stimmen, sind es auch.

Wenn sie am Ende noch einmal „This Land Is Your Land“ singen, fühlt man sich wie Kennedy, als er „Berliner“ war. Da möchte man mit voller Seele rufen: „Ich bin Amerikaner!“

Renate Wagner

13 Sept – 22 Oct 2016, Performances daily at 7.30pm, ex. Sundays

 

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