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WIEN / Vienna’s English Theatre: THE GLASS MENAGERIE

13.09.2023 | KRITIKEN, Theater

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Foto: Vienna’s English Theatre

WIEN / Vienna’s English Theatre:
THE GLASS MENAGERIE von Tennessee Williams
Premiere: 12. September 2023 

Wenn eine Institution, die allein auf private Initiative zurück zu führen ist, ihr 60jähriges Jubiläum feiert, bedeutet das schon etwas. 1963 haben die amerikanische Schauspielerin Ruth Brinkmann und ihr österreichischer Ehemann, der Theatermann und Regisseur Franz Schafranek, Vienna’s English Theatre gegründet, das nach „vazierenden“ Jahren zu Beginn dann 1974 in den Festsaal in der Josefsgasse einzog, wo man heute noch „wohnt“.

Anfangs vor allem für Touristen gedacht, ist das Haus längst eine Institution auch für das Wiener Publikum. Dass nach dem Tod der beiden Gründer die Tochter Julia Schafranek bereit stand, das Theater im Sinne ihrer Eltern mit unvermindertem Qualitätsanspruch zu leiten, sicherte dem Unternehmen Bestand und Kontinuität.

Die Jubiläumssaison hat Julia Schafranek nun mit einem Top-Klassiker des amerikanischen Theaters begonnen, der „Glasmenagerie“ von Tennessee Williams, 1944 in Chicago uraufgeführt, zeitlos in der Thematik von Abstieg und Ausgrenzung. Adrienne Ferguson, die dem Haus schon viele erfolgreiche Inszenierungen geliefert hat, setzte auf den Untertitel: „Ein Spiel der Erinnerungen.“ Sehr viel Musik (es gibt sogar einen Live-Geiger auf der Bühne) versetzt die Handlung immer wieder ins Unwirkliche, macht schwebend klar, dass wir die halb verklärte und die halb schmerzliche Erinnerung des Schriftstellers Tom Wingfield an seine geliebte Schwester Laura und seine weniger geliebte Mutter Amanda erleben. Die Ausstattung von Sophia Linhart weicht in ihrer glasziegelartigen Struktur auch vom blanken Realismus ab.

Zumindest die erste Hälfte des Stücks ist nicht das scheue, sensible, gehbehinderte Mädchen Laura; die lieber mit ihren Glasfiguren kommuniziert als mit Menschen, die Hauptfigur des Geschehens, sondern ihre Mutter. Amanda war wohl einmal eine Südstaatenschönheit, die in jeder Hinsicht herab gekommen ist und nun nicht einmal in ihren zwei Kindern ihre Illusionen ausleben kann. Hier haben nun die Regisseurin und ihre Darstellerin Anne-Marie Piazza, die für die Mutterrolle entschieden zu jung wirkt, nicht die richtige Entscheidung getroffen. Der Südstaatendialekt wird von ihr überzogen (alle anderen sprechen kristallklares Englisch), die Stimme in peinvoll kreischende, bohrende  Höhen gejagt, ein quälendes Staccato ergießt sich aus ihrem Mund. Nun will sich Amanda Wingfield zwar ihr Schicksal in einer wahren Suada durchaus schönreden, aber wenn man sie als so penetrante Drama Queen darstellt, viel zu viel Egoismus, viel zu wenig Gefühl, verliert sie jede Sympathie – und auch die Anteilnahme, die ihr für ihr tragisches Schicksal durchaus zusteht.

Dafür sind die drei jungen Leute abstrichlos exzellent, vor allem Tom Stuttard als Bruder / Sohn Tom, der das Geschehen als Erzähler großartig zusammen hält und das Schicksal eines Begabten umreißt, der sich erst von seinen (familiären) Ketten  befreien muss, bevor er zum Künstler werden kann… der dann über Schwester und Mutter dieses Stück schreibt.

Die richtige „Glasmenagerie“-Handlung zwischen Laura und dem Besucher Jim, dem wortgewandten irisch-amerikanischen jungen Mann mit Ambitionen, ist nur kurz, aber da entfaltet sich dann der ganze Zauber des Stücks. Louise Marie Prack, die hier ihr Bühnendebut feiert, ist eine Laura, die nie auf die Tränendrüse drückt und in ihrer Schlichtheit voll überzeugt, und Peter Steele vermittelt neben seiner Vollmundigkeit doch eine Menge guter Eigenschaften.

Viel Beifall für das Darsteller-Quartett, die Regisseurin versäumte bei der Premiere, sich ihren Applaus  abzuholen.

Renate Wagner

 

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