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WIEN / Vienna’s English Theatre: SYNCOPATION

17.05.2022 | KRITIKEN, Theater

syncopation play est~1
Foto: Reinhard Reidinger/VET

WIEN / Vienna’s English Theatre:
SYNCOPATION von Allan Knee
Premiere: 17. Mai 2022.
besucht wurde die Voraufführung am 16. Mai 2022 

Stücke, die starkes lokales Kolorit haben, ernten in ihrer Umwelt oft großen Erfolg, weil das Publikum weiß, wovon die Rede ist. Versetzt in andere Theaterwelten, kann man in Wien – trotz englischer Sprache – nicht voraussetzen, dass die Besucher von Vienna’s English Theatre besondere Kenntnis über das New York vor mehr als hundert Jahren haben. Genau da spielt „Syncopation“ von Allan Knee, und man mag sich von hymnischen Kritiken und Preisen jenseits des Atlantiks verlockt gefühlt haben, das auch in Wien vorzustellen.

Ganz so nahtlos hat es aber nicht geklappt. Für New Yorker, deren Großeltern vielleicht selbst jüdische oder italienische Einwanderer waren, die als Fleischhauer oder als Näherin in Fabriken gearbeitet haben und von der damaligen Tanzwut besessen waren, mag das ein Stück gelebter Nostalgie sein, wo auch noch der Kampf ums Frauenwahlrecht mitspielt und ein italienischer Papa und eine jüdische Mame, wenn auch nur von ihnen erzählt wird, das Kolorit der Herkunft einbringen.  Uns fehlt dieser Hintergrund, es bleibt nur die Zwei-Personen-Auseinandersetzung zwischen Henry und Anna, er davon besessen, ein Ballroom-Dancer zu werden (was im allerbesten Fall Geld und Ruhm versprach), sie anfangs  eher zögerlich, neugierig, nach und nach für die Idee zu begeistern.

Wie sich die beiden annähern, bis es nach entsetzlichen Schwierigkeiten und wenig glaubhaften Drehungen und Wendungen ein Happyend ergibt, ist von der Psychologie her der schwächste Teil des Stücks. Im übrigen sollen sie viel tanzen, immer besser, abwechslungsreicher, komplizierter bis zu einer echten Show-Nummer am Ende…

Auch das klappt nicht so richtig. In einem schlichten Einheitsbühnenbild (Richard Evans), das für vieles stehen muss, nicht nur das Studio, das Henry für seine Tanzambitionen gemietet hat, sondern auch etwa für den Vergnügungspark Coney Island, hat Sean Aita so lebhaft wie möglich inszeniert, aber auch zu wenig gestrichen, denn für zweieinhalb Spielstunden passiert eigentlich zu wenig.

Mike Denman ist als jüdischer Fleischhauer Henry schon deshalb ideal, weil er zwar durchaus nicht die klassische Figur eines Tänzers hat, aber Tanz im Blut, in den Hüften, in den Fingerspitzen, in jeder Bewegung. Man glaubt ihm die Leidenschaft, die ihn treibt. Jessica Frances ist entzückend, jung und hübsch, eine Schauspielerin von vielen Nuancen, aber als Tänzerin kann sie ihrem Partner – trotz spürbarer Bemühung – nicht das Wasser reichen. Damit fallen die  Tanzszenen, die begeistern sollten, ins Wasser, da konnte Choreographin Claire Camble Hutchins nichts retten, der Tanz-Funke springt nicht über.

Natürlich zeigte sich das Publikum vom Charme der Protagonisten gefangen, aber das Stück bekam keine Gelegenheit, seine Stärken zu entfalten.

Renate Wagner

 

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