WIEN / Vienna’s English Theatre:
SLEUTH von Anthony Shaffer
Premiere: 17. Jänner 2017,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 18. Jänner 2017
So berühmt (zwei Verfilmungen mit absoluten Spitzenbesetzungen) und doch im deutschen Sprachraum, also auch bei uns, extrem selten gespielt: „Sleuth“ von Anthony Shaffer, dem Zwillingsbruder des ungemein berühmteren Peter „Amadeus“ Shaffer. Immerhin, Anthony schrieb Drehbücher, darunter für Hitchcock, und im englischsprachigen Raum ist „Sleuth“ ein viel gespielter Hit. Das Stück ist auch so very british, dass hier tatsächlich eine Mentalitätsschranke zu überspringen ist, abgesehen davon, dass man in vielen Fällen hierzulande gar nicht weiß, was die Herren auf der Bühne da zitieren und womit sie „spielen“… nämlich mit einer gewissen Nonsense-Tradition, die wir so nicht kennen.
Um das Spielen als hochmütiger Lebenszweck, Spielen mit dem Leben, mit dem Nächsten, geht es in diesem allemale über die Maßen brillanten Zwei-Personen-Stück, das nur mit allerhöchster Besetzung funktioniert. Im Kino waren es 1972 Laurence Olivier als der unerträglich eitle Autor und Michael Caine, 2007 schlüpfe Caine dann in die Olivier-Rolle, konfrontiert von Jude Law. In Wien hat man das Stück, lang ist’s her, 1984 hier am Ort, dem Vienna’s English Theatre gesehen (mit einer Traumrolle für David Cameron), während es 2006 als Bezirksvorstellung des Volkstheaters nicht unbedingt am rechten Platz war. Nun also wieder in Vienna’s English Theatre, wo die Originalsprache das Stück geradezu „jagen“ kann.
Zwei Männer liefern sich ein Duell, und der sich überlegen dünkt, ist es am Ende vielleicht doch nicht… das erfordert schon die Dramaturgie dieser Art von Stücken, die eine knallige Schlußpointe brauchen. Es ist natürlich ein Thriller, aber leider nur für die Leute wirklich nervenzerreißend spannend, die das Stück zum ersten Mal sehen. Die nicht wissen, worauf das sprachlich köstlich pointierte Katz-und-Maus-Spiel hinausläuft, die zur Pause meinen, dass da wirklich eine Leiche auf der Bühne liegt, die vielleicht im zweiten Teil noch kurz darüber zu täuschen sind, wer da unvermutet auftaucht… Kennt man das Stück, ist es immer noch amüsant, wenn die Darsteller stimmen, aber Überraschung gibt es keine mehr.
Fotos: Vienna’s English Theatre
Die Konstellation stellt Andrew Wyke, einen grenzenlos überheblichen Verfasser von Kriminalromanen, einem anfangs schüchternen jungen Mann namens Milo Tindle entgegen, an dem Wyke alles reizt – dass er eine italienisch-jüdische Mischung ist (Ausländer, minderwertig), dass er nicht viel Geld hat und Lebensstil (Champagner, Bahamas!) nicht für die unabdingbare Voraussetzung des Glücks hält, vor allem aber, dass er Wykes Frau heiraten will, natürlich wenn sie geschieden ist. Diese Frau mag Wyke zwar längst nicht mehr, aber wegnehmen lässt er sich auch nichts. Schon gar nicht von „so einem“… Also besteht der erste Akt des Stücks aus einer trickreichen, abgrundtief bösartigen, niederträchtigen Falle, die er dem armen Milo stellt.
Der zweite Teil zeigt dann die Rache, auch der Underdog kann Spielchen spielen und seinen Quäler zum Schwitzen bringen, und das nicht schlecht. Am Ende… aber man soll es sich ja ansehen, also nichts darüber.
Ein Stück wie dieses muss schnell gespielt werden, und dafür sorgt Regisseur Philip Dart, wie Dart-Pfeile schnurren und treffen die Pointen, die Jonathan Coote als Andrew Wyke serviert, wobei der Darsteller einen wahren Rekord an Schnellsprechen hinzulegen scheint (manchmal vielleicht zu atemlos, man kommt ja nicht einmal zum Lachen). Chris Polick als Milo Tindle ist langsamer, bedächtiger, natürlich liebenswerter, obwohl er im zweiten Akt als Verwandelter (Todesangst geht an niemandem spurlos vorüber) in eine neue Souveränität hineinwächst.
Möglicherweise geht das Spiel am Ende unentschieden aus. Gewinner ist das Publikum – wenn man sehr gut Englisch spricht.
Renate Wagner
16 Jan – 25 Feb 2017 Performances daily at 7.30pm, ex. Sundays
www.englishtheatre.at