Photos © Vienna’s English Theatre/Armin Bardel
WIEN / Vienna’s English Theatre:
SEE HOW THEY RUN von Philip King
Premiere: 5. November 2025,
besucht wurde die Voraufführung
Noch ein Pfarrhaus-Klassiker
Nein, es handelt sich nicht um Agatha Christies „Mord im Pfarrhaus“, aber gewissermaßen ist auch bei „See How They Run“ (im deutschen Sprachraum als „Lauf doch nicht immer weg“ bekannt und viel gespielt) auch ein Pfarrhaus-Klassiker. Wenn da vier Herren in Schwarz mit dem Kollar (dem weißen Priesterkragen) auf der Bühne stehen und der Bischof nicht weiß, welcher davon echt ist, weil seine Nichte es ihm aus prekären Gründen nicht sagen kann – dann tobt es auf der Bühne und im Publikum.
Dieses Stück, das während des Zweiten Weltkriegs in der englischen Provinz spielt, ist unglaubliche 80 Jahre alt. Es wurde unmittelbar zu Kriegsende 1945 (es fielen noch deutsche Bomben) in London uraufgeführt. Und es funktioniert in seinem Schema der Slapstick-Farce so unvermindert wie etwa die turbulenten Komödien von Feydeau. Autor Philip King (1904-1979) hat zahlreiches erfolgreiches Boulevard-Futter geschrieben, aber diese Farce muss wohl die beste sein, weil sie sich so unerschütterlich auf den Bühnen hält.
Der Spaß funktioniert auf vielen Ebenen. Allein, dass der Reverend Lionel Toop eine schöne junge Dame namens Penelope geheiratet hat, die einst beim Theater (!!!) war, empört die alte Jungfer des Dorfes, die später bei guter Gelegenheit (jede Menge von Sherry) alle Hemmungen fallen lässt. Wenn dann ein ehemaliger Schauspielerkollege (und wohl auch Liebhaber) von Penelope während der Abwesenheit des Gatten vorbei kommt und die beiden – ungeachtet dessen, dass er jetzt in Soldatenuniform steckt – nicht widerstehen können, ein paar handgreifliche Szenen ihrer Erfolgstournee (es handelte sich um Noel Cowards „Private Lives“) nachzuspielen – da kann man sie schon gemeinsam umschlungen am Teppich des Pfarrhaus-Wohnzimmers finden. Und was sie davor vollbracht haben, ist die hohe Schule von Turnkünsten auf der Bühne…
Weitere Ingredienzien – ein hellwaches, mit dickem Unterschicht- Akzent bedachtes Stubenmädchen, das sich nicht aufs Nebengeleis schieben lässt, ein Onkel Bischof, der natürlich zur ungeeignetsten Zeit zu Besuch kommt, ein Ersatz-Priester, der nicht weiß, wie ihm geschieht, wenn er Penelopes Ehemann tobend und in Unterhosen durchs Haus rennen sieht, ein aus dem örtlichen Lager entflohener deutscher Soldat (leicht zu entlarven, da er einem „Heil Hitler“ nicht widerstehen kann) und ein Sergeant, der diesen sucht… es ist nicht gerade ein personenarmes Stück, in dem sich die meisten Personen nicht kennen, was jeder Verwechslung Tür und Tor öffnet. All das ist von der Produktion her schwierig erhöht aber den Unterhaltungsfaktor für das Publikum entscheidend.
Vienna’s English Theatre hat das Glück, dass Regisseur Philip Dart eine Aufführung auf die Bühne stellt, die mit der erforderlichen sekundenschnellen Präzision im Sprachlichen und Körperlichen abläuft, die Logistik ist aufs höchste gefordert. Die Geschichte wird im Lauf des Abends immer atemloser, turbulenter und absurder.
Roxana Rae ist die bildhübsche, immer schnippische, immer geistesgegenwärtige Heldin der Geschichte, während Sophia Tyndall-Bristow als Dienstmädchen Ida für dümmlich-pfiffige Komik sorgt und Emma Ernest als anfangs empörte alte Jungfer nach und nach alle Stadien einer stets slapstickartig zusammenklappenden Trunkenheit ausspielen darf.
Sam Blythe als echter Reverend, Penelopes Gatte, darf anfangs sauertöpfisch erscheinen, bis er in Unterhosen jede Hemmung verliert. Jack Spencer als Soldat / Schauspieler ist schon von der Rolle her lockerer, und Stuart Turner (der entflohene Nazi) sowie Ethan Chapples als echter Priester sorgen für die Häufung der Reverends, Bei denen kennt sich Simon Butteriss als ältlicher Bischof natürlich nicht aus (das Publikum allerdings immer). Charlie Tripp ist ein Sergeant auf der vergeblichen Suche nach der Wahrheit – aber sobald man den Nazi abgeführt hat, steht dem Happyend nichts mehr im Wege. Obwohl da an so mancher Beziehung, an manchem Image gerüttelt wurde, um dem Tohuwabohu noch eine Ahnung von menschlichem Hintergrund zu geben.
Lachen, Lachen, Lachen. Dafür sind Stücke wie dieses da.
Renate Wagner

