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WIEN / Vienna’s English Theatre: SAME TIME, NEXT YEAR

As Time Goes By

11.09.2024 | KRITIKEN, Theater

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© Vienna’s English Theatre / Reinhard Reidinger

WIEN / Vienna’s English Theatre: 
SAME TIME, NEXT YEAR von Bernard Slade
Premiere: 11- September 2024,
besucht wurde die Voraufführung 

As Time Goes By

 Nächstes Jahr wieder, zur gleichen Zeit, trifft sich ein Pärchen für ein Sexwochenende. Aber das Stück von Bernard Slade (1930-2019) aus dem Jahre 1975 (1978 verfilmt mit Ellen Burstyn und Alan Alda) hätte sich nicht so lange gehalten, wäre es nur eine romantische Liebesgeschichte. Slade bot einen Kick mehr, und das macht das Ganze bis heute interessant.

Denn Doris und George, Mitte 20, als sie sich 1950 treffen und das damalige Wochenende eine Vierteljahrhundert lang wiederholen, zeichnen auch ein Stück amerikanischer soziologischer Entwicklung nach. Das macht die Sache anfangs etwas müde, weil beide zwei von den sechs Szenen lang meist von ihren Partnern und Kindern reden, während die dritte Szene dann den Knalleffekt vor der Pause bietet, dass Doris ihr viertes Kind (nicht von George natürlich) am Wochenende mit seiner Hilfe zur Welt bringt (man muss es nicht mit ansehen).

Wenn Doris dann jedoch 1966 als Hippie-Girl erscheint, während George zum kalten Geschäftsmann geworden ist, der jetzt Barry Goldwater wählt (seinerzeit den Liberalen ein Dorn im Auge wie heute Donald Trump), da geht es dann auch um Politik. Da fragt Doris nach dem Sinn des Frauenlebens, das über den Dienst an der Familie hinausgehen kann, und wird in der Folge im Zuge des Feminismus eine erfolgreiche Geschäftsfrau. George hingegen schlägt den anderen Weg ein, wirft sich der Psychoanalyse in die Arme, erkannt, dass Geld zu scheffeln auch kein Lebenssinn ist und wird zum Alternativen. Bevor es am Ende dann wieder um Liebe und die Beziehung geht, die sie möglicherweise bis zum Lebensende fortsetzen werden, bieten diese beiden Szenen doch zumindest griffigen Nachdenk-Job. Und immerhin hat Slade zwei Menschen, die man als relativ unsichere junge Leute kennen lernt, sehr schön erwachsen werden lassen.

In Vienna’s English Theatre hat Regisseurin Adrienne Ferguson in einem Hotelbühnenbild von Vernon Marshal den Abend in etwas mehr als zwei Stunden flott inszeniert, wobei sie sich vor allem auf ihren Darsteller Adam Elliott stützen kann. Mit schöner sprachlicher Klarheit nuanciert dieser sowohl Gefühle wie die gesellschaftlichen Realitäten, die ihn umgeben (und einengen).

Dass Partnerin Rachel Fletcher-Hudson nicht ganz mithalten kann, liegt auch an dem Ausstatter. Weit mehr als am männlichen Erscheinungsbild lässt sich Zeitenwandel an der Frauenmode ablesen. Diese Doris sieht gerade nur als Hippie-Mädchen witzig und signifikant aus (und ist in dieser Szene am besten), ansonsten  entstellt man sie mit entsetzlichen Perücken und Kleidern, die absolut nichts aussagen. So hat die Darstellerin es schwerer als ihr Partner.

Den Wechsel der Zeiten erlebt man zwischen den Szenen durch jeweils aktuelle Schlager, Radiodurchsagen, Hinweise auf Politisches. Menschenleben begibt sich nie im luftleeren Raum, sondern wird von Zeit und Umwelt bestimmt  – das haben Slade und die Aufführung schön klar gemacht.

Viel Beifall.

Renate Wagner

 

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