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WIEN / Vienna’s English Theatre: RING OF FIRE

06.11.2018 | KRITIKEN, Theater

WIEN / Vienna’s English Theatre:
RING OF FIRE– The Music of Johnny Cash
Created by Richard Maltby, Jr.
Premiere: 6. November 2018

Vor zwei Jahren hatten wir in Woody Guthrie (natürlich nicht in eigener Gestalt) eine amerikanische Folk-Legende im Englischen Theater zu Gast. Nun folgt Country-Western-Star Johnny Cash, und David M. Lutken, unvergessener „Woody Sez“, ist wieder dabei. Allerdings handelt es sich diesmal nicht um eine Ein-Mann-Show, sondern um ein Ensemblestück für sechs Musiker, zwei Damen, vier Herren, die (fast wie Musik-Clowns) alle Instrumente zu spielen scheinen – und alle Rollen auch. Alle Männer sind abwechselnd Johnny, die Frauen sind Mutter, Schwester, Freundin, Ehefrauen, Background-Singers.

Der vom Broadway kommende Abend ist von Richard Maltby, Jr. so geschickt zusammen gestellt, dass sich die Handlung durch die Songs transportiert – es braucht fast keine Zwischen-Dialoge, es scheint zu jedem Ereignis von Johnnys Leben das passende Musikstück zu geben. Kunststück, hat er doch im Lauf seiner Karriere mehr als 500 geschrieben, viele auf höchstem Niveau, in seiner Interpretation unverwechselbar.

Johnny Cash (1932-2003) stammte aus einer armen Familie von Farmern – seit seinem achten Lebensjahr stand er mit seinen Eltern und Geschwistern am Feld und pflückte den ganzen Tag Baumwolle. Mit Liedern half man sich über die endlosen Arbeitsstunden hinweg, und das Radio war nachts seine größte Freude. Als Angehöriger der Air Force war er im Nachkriegs-Deutschland stationiert und trat schon dort mit seiner Gitarre auf. Memphis, die Elvis-Stadt, und Woodstock waren seine nächsten Stationen, und nach der Pause erlebt man ihn schon als den großen Show-Star, der mittlerweile seine erste Ehe (mit vier Töchtern!) in den Sand gesetzt hatte und um die Sängerin June Carter warb. Wie sie gegen seine Drogenabhängigkeit kämpfte, hat man 2005 in „Walk the Line“ im Kino gesehen (mit Joaquin Phoenix als Johnny Cash und mit einem „Oscar“ für Reese Witherspoon als June Carter). Als es ihm gelang, die Drogen hinter sich zu lassen, nahm die religiöse Prägung seiner Lieder zu. Längst trug er als Markenzeichen nur noch schwarz, aber er war „The Man in Black“ nicht aus geschmäcklerischen Gründen, sondern um auf Unglück und Ungerechtigkeit der Welt aufmerksam zu machen… Den Tod seiner geliebten Frau hat er nur um wenige Monate überlebt.

Das alles spielt sich nun in zweieinhalb Stunden unter vollem Einsatz der sechs Protagonisten nahtlos ab. Megan Loomis und Helen Jean Russell umrahmen die vier Johnnys, unter denen David M. Lutken der ausdrucksstärkste ist, wenn er mit seiner knochig-schmalen Silhouette Johnny auch so gar nicht gleicht. Und eines muss man auch von den bemühten anderen dreien – Michael Hicks, Morgan Morse, Sam Sherwood – sagen: Keiner hat in Optik und vor allem in der Stimme auch nur die geringste Ähnlichkeit mit dem Original, dem unvergleichlichen Timbre, dem unverkennbaren „Sound“. Aber da ja Fälle wie Identifikation durch Interpreten (wie etwa Bill / Piaf) die Ausnahme sind, ist es vielleicht besser, Johnny Cash gar nicht erst nachzumachen, sondern einfach seine Songs wirken zu lassen. Das Publikum war jedenfalls begeistert.

Renate Wagner

 

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