Foto: Vienna’s English Theatre /Reinhard Reidinger/VET
WIEN / Vienna’s English Theatre:
BEGINNING von David Eldridge
Österreichische Uraufführung
Premiere: 13. September 2022
Die Ausgangssituation ist ein wenig anders als sonst. Die Party in der noblen Wohnung von Laura ist vorbei, alle Gäste sind gegangen, nur Danny, den sie an diesem Abend kennen gelernt hat, ist noch da. Peinliches Warten, wer wohl das Gespräch beginnt. Aber nicht der Mann will die Frau verführen, sondern sie ihn, und das sogar ziemlich aggressiv. Weil er sich unbehaglich windet, scheint sich eine Komödie anzukündigen.
Aber ungeachtet dessen, dass immer wieder gelacht werden darf, geht es in „Beginning“ von David Eldridge um mehr. Der Londoner Erfolg, 2017 am National Theatre uraufgeführt, wird bald zum Seelenstriptease. Man muss sich auf den erwünschten Beischlaf gewissermaßen hinzu reden. Der Mann bekennt sein verpfuschtes Leben – kaputte Ehe, die kleine Tochter seit Jahren nicht gesehen, mit Mutter und alter Tante im gemeinsamen Haushalt lebend, und alle Tinder-Versuche haben nichts gebracht.
Ebenso tief geht es, wenn Laura nach und nach geradezu aufschreit, was sie wirklich möchte. Die wohlhabende Erfolgsfrau, die von allen beneidet wird, hat ihr Glück nicht in Beruf und Karriere gefunden – sie will mit ihren 39 Jahren unbedingt wenigstens ein Kind, eigentlich aber einen liebevollen Ehemann, viele Kinder und ein Haus am Land. Feministinnen werden sich winden, Konservative werden zufrieden vor sich hin lächeln…
Obwohl nur eineinhalb pausenlose Stunden lang, hat die Handlung neben ihren Stärken auch Löcher und Leerläufe, wobei es durchaus dem Leben abgelauscht sein mag, wie viel sinnloses Blabla geredet wird, einfach damit es weitergeht. Ob die Geschichte durchhält, liegt an den Schauspielern – es ist ein Virtuosenstück, das sich ehrlich und alltäglich gibt, was die Sache umso schwieriger macht.
Regisseurin Adrienne Ferguson hatte (in der passenden Ausstattung von Vernon Marshal) immerhin zwei exzellente Interpreten, wobei der männliche Teil mit glasklarer Aussprache ungleich verständlicher war als die Dame, die überraschenderweise mit ziemlichem Slang aufwartete. Aber Sian Polhill-Thomas interpretierte die erstaunlich mutige Großstädterin am Rande der Verzweiflung, die wagt, sich, ihre Wünsche und ihre Schwächen preiszugeben, mit bewundernswerten Nuancierungen. Komischer war allerdings Liam Jeavons als der Mann, „der sich nicht traut“, der immer wieder in Peinlichkeit vergeht, weil er als gebranntes Beziehungs-Kind panische Angst vor der Situation hat, aber doch starker Anziehung ausgesetzt ist…
Man verrät sicher nicht zu viel, dass die beiden – nach einem sehr langen, manchmal länglichen „Vorspiel“ – am Ende ja doch im Bett landen und glücklich sind. Das Publikum war es dann auch.
Renate Wagner