WIEN / Vienna’s English Theatre:
BAREFOOT IN THE PARK by Neil Simon
Premiere: 28. Mai 2019
Neil Simon (1927-2018) war zu Recht einer der erfolgreichsten Komödienautoren Amerikas. Anders als brillante Kollegen verließ er sich nicht auf Slapstick-Situationen und auf grelle Katastrophen-Szenarii. Seine Komik kam immer aus den Menschen, die er auf die Bühne stellte. Und selbst wenn diese im Sinn der Charakterisierung ein wenig überzeichnet waren, so kam der Spaß, den man an ihnen hatte, immer aus ihrem Wesen. Sein erster Erfolg, „Barfuß im Park“ von 1963, war schon ein Beweis dafür.
Man mag sich nicht an die eine oder andere Theateraufführung davon erinnern, aber den Film hat niemand vergessen, waren doch Jane Fonda und Robert Redford zu vergnüglich als junges Paar, gab Charles Boyer doch die hinreißendste Hollywood-Version eines „Ausländers“ – und Mildred Natwick, an deren Namen man sich vielleicht nicht erinnert, wohl aber an ihr charakteristisches Gesicht, bekam für die Darstellung der Mutter sogar eine „Oscar“-Nominierung. Was besagt, dass man dieses Vier-Personen-Stück mit zwei Nebenrollen dazu herausragend besetzen muss.
Warum stimmt es auch heute – und stimmt es gleicherweise, dass Regisseur Philip Dart es für die Aufführung von Vienna’s English Theatre vage in den sechziger Jahren belassen hat? Handys kommen schließlich keine vor, aber die hat man damals nicht gebraucht. Man sieht Corrie Bratter mit Vergnügen dabei zu, wie sie in einem alten New Yorker Haus (Aufzüge? Mitnichten!) in den fünften, eigentlich sechsten Stock einzieht, die Oberlichten wären herrlich, hätte eine nicht ein Loch – und dann schneit es natürlich im tiefen Winter herein. Und außerdem muss man schon sehr gut bei Fuß sein, um die Kletterei hinauf unbeschadet zu bestehen. Und sehr groß ist es da auch nicht – wer hätte sich schon auf eine Wohnung eingelassen, die höchstens eine Dusche hat, ein „Schlafzimmer“, in dem man auf die Bett-Matratze steigen muss, um in den Kasten zu kommen, und einen zentralen Raum für alles?
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Nun Corrie Bratter ist dazu imstande, und darum geht es schon: Dieses verrückte Geschöpf mit leichtem Hippie-Touch, das auch im Winter barfuß im Park spaziert, hält das Leben für ein Abenteuer. Ihr Mann Paul hingegen, Jung-Anwalt von Beruf, weiß, dass man auch arbeiten muss, dass man nicht gerne friert und ein bisschen Vernunft im Leben von Nutzen ist. Man fragt sich also – können die beiden, die in ihrer Verschiedenheit so an einander krachen, bei aller Verliebtheit eine funktionierende Beziehung schaffen?
Damit aber nicht gleich Albee und Virginia Woolf daraus wird, kommt Corries Mutter zu Besuch, die sich so bemüht, ihr Entsetzen zu bemänteln und angesichts dieser Wohnung freundlich zu sein. Und als Nachbar, der noch höher, unter dem Dach, wohnt, und dafür gern bei den Bratters durchs Fenster kriecht (er ist nämlich die Miete schuldig), bietet sich Victor Velasco auf der Stelle als fröhlicher Lebensgefährte der leicht schrumpeligen alten Dame an… ja, das ist Theater auf dem Reißbrett. Aber wie man’s macht, darauf kommt es an.
Mama ist die beste, niemand setzt an diesem Abend die Pointen wie Claire Lacey in der Rolle von Corries Mutter, das ist schauspielerischer Instinkt vom Feinsten. Michael Fenner hingegen wackelt den Victor Velasco zu unbestimmt (wo äußerste Präzision angesagt wäre), um auch nur annähernd die mögliche Wirkung zu erzielen. Wenn Hollie Sullivan als temperamentvolle Corrie herumtobt, erinnert sie sogar an Jane Fonda – aber wenn ihr braver Gatte in Gestalt von Cai Brigden Fahrt aufnimmt, ist das noch viel schöner. Ein Telefonmann, der einerseits angesichts der fünf Stockwerke keucht, andererseits nicht in den Ehekrach geraten will, ist eine Prachtrolle, und Toby Gaffney nützt sie bis in den letzten Winkel seiner Körpersprache. Und eine doch eher traurige Erinnerung: War Kevin Brock nicht einst in Wiens anderem Englischen Theater, dem International Theatre, das der damalige Kulturstadtrat sinnlos und bösartig gekillt hat, ein Darsteller wirklich großer Rollen? Jetzt darf er als Delivery Man eine Minute lang nach Luft japsen… und das war’s auch schon.
Das Stück funktioniert in der flotten Regie von Philip Dart und in der Mansardenwohnung von Ken Harrison, die sich von leer auf einigermaßen möbliert wandelt, nach wie vor prächtig. Auf die Qualität kommt es an – dann machen auch Jahrzehnte, die dazwischen liegen, und eine gänzlich andere Welt, in der man mittlerweile lebt, nichts aus. New York in den sechziger Jahren … das war schon was.
Renate Wagner