Fotos: © Susanne Hassler-Smith
WIEN / Burgtheater – Vestibül:
MONSTER von David Greig
Premiere: 12. Dezember 2021
Wenn man es genau betrachtet – aber wer tut das schon? -, dann hat der schottische Autor David Greig, von dem man in Wien schon einiges gesehen hat (ohne bis dato von ihm tief beeindruckt zu sein), mit seinem Stück „Monster“ ein berührendes Sozialdrama geschrieben. Verkauft wird es allerdings, zuerst von ihm, mehr noch von den Interpreten, als schrill-grell-lustiges Jugendstück. (Und man muss dem Burgtheater des Martin Kusej einräumen, dasss gerade auf diesem Gebiet in diesem Haus viel geschieht)
Dass eine 16jährige für ihren Vater nach dem Tod der Mutter (den er bei einer Biker-Rennfahrt mehr oder minder verschuldet hat) stillschweigend die Verantwortung für den körperlich und seelisch aus der Bahn geworfenen Mann übernimmt, ist eigentlich nicht lustig. Papa, der sich und die Tochter offenbar von einer Behindertenrente ernährt (er hat multiple Sklerose, der letzte Schub führte zu Blindheit), ist keineswegs ein Musterbürger. Dennoch könnte Tochter Duck es nicht ertragen, wenn die Beauftragte vom Jugendamt, die ihren Besuch angekündigt hat, sie ihrem Vater wegnehmen und in ein Heim stecken würde…
Die Versuche, einen undisziplinierten, behinderten Mann einigermaßen „normal“ aussehen zu lassen – das könnte eine Tragikomödie ergeben, die den tapferen Kampf eines Teenagers ebenso nachzeichnet wie die Komik, die in vergeblichen Bemühungen nun einmal steckt. Aber es soll ja ganz heutig wild und schrill zugehen, also wird nach allen Regeln der Kunst überzeichnet und auch noch geradezu absurd mit der Medienwelt interagiert. Ist das Leben ein Videospiel? Scheint so, wenn Papas total verrückte Internet-Freundin aus Norwegen auftaucht…
Dass dergleichen auch alles sehr schief gehen könnte, deutet der Autor an, um dem jugendlichen Publikum (gedacht für Teenager) am Ende doch etwas Hoffnung zu geben (vielleicht wird unsere Heldin, die per Romanschreiben aus der Realität flüchtet, einmal berühmt?). Ob der Autor mit der tapferen Duck die heutige Version einer Kinderbuch-Heldin (die auch die Nöstlinger erfunden haben könnte) geliefert hat? Dazu verläuft die Geschichte wohl doch in zu schrägen Bahnen, um die Bodenhaftung eines praktikablen Gleichnisses zu erreichen.
Auf der kleinen Bühne des Burgtheater-Vestibüls, auf die Bühnenbildnerin Anneliese Neudecker faktisch nur eine grellrote Knautschleder-Couch gestellt hat (Kostüme: Elena Kreuzberger), lässt Regisseur Felix Metzner nach dem Motto „Wehe, wenn sie los gelassen“ agieren. Zwei Erwachsene: Rainer Galke macht den vom Schicksal geschlagenen Vater (der an vielem selbst schuld ist) so sympathisch wie möglich, und Katharina Pichler darf ihre Verwandlungskunst zeigen – erst als die total ausgeflippte Internet-Bekanntschaft, dann als beflissene und wohl auch ein wenig blöde Beamtin.
Die jungen Leute waren mit zwei Schauspielschülern besetzt – Jonas Graber gab teils einen boshaften Kommentator des Geschehens, teils einen unsicheren Jüngling auf der Suche nach seiner Sexualität.
Die Last des Abends ruhte auf der technisch schon sehr gut ausgebildeten Reinhardt-Seminaristin Caroline Baas, die zwar die Hektik der geplagten, so tapfer kämpfenden, bedauernswerten Duck vermittelte, aber es mit zu wenig Differenzierung tat – da wäre noch einiges mehr heraus zu holen gewesen als Einheits-Gezappel.
Worauf sich die „Monster“ des Titels genau beziehen, weiß man zwar nicht, aber monströs genug war die reichlich mit überlauten Pop-Klängen versehene Geschichte allemale. Viel Beifall bei der Premiere und vermutlich bessere Laune im Zuschauerraum als am Christkindlmarkt dem Haus gegenüber, wo die Menschen in langen Schlangen warten mussten, bis ihre Grünen Pässe kontrolliert waren…
Renate Wagner