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WIEN / Theatermuseum: VON TRIEST NACH RIO DE JANEIRO

13.11.2017 | Ausstellungen, KRITIKEN

Ender Blick in die Ausstellung~1

WIEN / Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien
zu Gast im Theatermuseum:
THOMAS ENDER
VON TRIEST NACH RIO DE JANEIRO
Vom 8. November 2017 bis zum 18. Februar 2018

Bilder einer Reise

Erzherzogin Leopoldine, Tochter von Kaiser Franz I., war die erste von drei Frauen, die den Titel einer „Kaiserin von Brasilien“ trugen. Ihr in vielen Gebieten so interessierter Vater sandte 1817 im Kielwasser der Tochter eine ganze Expedition von Wissenschaftlern und Künstlern mit nach Südamerika, um aus dem in Europa noch weitgehend unerforschten Land „Exotisches“ zurückzubringen: Tiere, Pflanzen, Mineralien, Gegenstände des täglichen Lebens und natürlich Ansichten, wie nur Maler sie vermitteln konnten. Unter ihnen war Thomas Ender (1793-1875), später einer der großen Aquarellisten und Landschaftsmaler der österreichischen Kunst, hier in seinen frühen zwanziger Jahren, doch schon ein wahrer Könner. 28 Blätter dieser Reise sind nun als „Gastspiel“ der Akademie der bildenden Künste Wien im Theatermuseum zu sehen. Es mögen „nur“ Kleinformate sein, aber das genaue Hinschauen lohnt sich. Eine Kostbarkeit.

Von Renate Wagner

Die Akademie im Theatermuseum Der Sachverhalt ist bekannt, die Akademie der bildenden Künste musste zwecks Restaurierungsarbeiten für drei Jahr „ihr“ Haus, die Akademie am Schillerplatz, verlassen. Viele ihrer kostbarsten Gemälde und natürlich der „Bosch-Altar“ haben im ersten Stock des Theatermuseums im Palais Lobkowitz „Unterschlupf“ gefunden. In diesen Räumlichkeiten gibt es auch einen „Gang“, viel zu schmal, um dort Ölgemälde zu zeigen. René Schober, Kustode des Kupferstichkabinetts der Akademie, hat die Gelegenheit benützt, um hier eine kleine, aber sehr feine Sonderausstellung zu bieten. Sie widmet sich raumgebedingt einer nicht umfangreichen, aber besonders interessanten Auswahl von Werken, die Thomas Ender auf der Reise nach Brasilien geschaffen hat.

Ender Musizieren auf der Austria x
Musizieren auf der „Austria“

Das weniger Bekannte zeigen Dabei hat man aus den 763 Zeichnungen und Aquarellen, die in 19monatiger Abwesenheit von Wien entstanden sind, nicht die bekannten und öfter gezeigten Brasilien-Ansichten wählte – nur ganz am Ende steht, quasi als „Drüberstreuer“, der Zuckerhut -, sondern die Werke, die Ender zu Beginn der Fahrt zwischen Mittelmeer und Atlantik schuf, also in Triest, Pula, Malta, Gibraltar und Madeira.

Ein 23jähriger bricht auf Thomas Ender und sein Zwillingsbruder Johann Nepomuk wurden am 3. November 1793 als Söhne eines Altwarenhändlers am Spittelberg geboren. Thomas’ Talent war schon während des Studiums aufgefallen, aber wahrscheinlich hätte er nie die Chance bekommen, bei der Brasilien-Expedition dabei zu sein, wenn der allmächtige Fürst Metternich nicht auf ihn aufmerksam geworden wäre. So konnte der 23jährige am 28. März 1817 von Wien aus in Richtung Triest aufbrechen, wo er am 7. April eintraf und am 10. an Bord der österreichischen Fregatte “Austria” in See stach. Schon die kurze Zeit in Triest hatte er für sechs erste Werke genützt. Die Wissenschaftler können an den Bildern dieser Reise geradezu mitansehen, wie Enders Fähigkeiten von Werk zu Werk wuchsen, wie er aus der Erfahrung des Arbeitens lernte.

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Das Amphitheater von Pula

Auf stürmischer See Die damaligen Schiffe unterschieden sich gewaltig von den riesigen Kreuzfahrschiffen von heute, denen kein Wetter etwas anhaben kann. Die Fregatte “Austria” war ein Segelschiff mittlerer Größe, das bereits an seinem ersten Tag in der nördlichen Adria wegen heftiger Stürme an der Küste Istriens entlangnavigieren musste. Am nächsten Tag gab es einen so gewaltigen Sturm, dass sich auch ältere Seeleute an nichts Ähnliches erinnern konnten (man kann sich vorstellen, wie eine 23jährige Landratte aus Wien das empfand!) und der Bugspriet des Schiffes brach. Man musste also im Hafen von Pula Zuflucht suchen. Ender benützte die Gelegenheit, die Stadt zu erforschen, und zeigte sich vor allem von ihren römischen Überresten fasziniert, den Tempeln und natürlich dem Amphitheater, das bis heute Besucher der Stadt in den Bann schlägt. Der achttägige Aufenthalt brachte 7 Werke hervor, die Ausstellung zeigt drei davon, eine Tempel-Ansicht, zweimal das Amphitheater, wobei Ender schon damals seine Blickwinkel variierte (das Innere des Amphitheaters ist in voller Breite auseinandergezogen). Am 20. April 1817 konnte die Reise fortgesetzt werden.

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Malta, der Hafen von La Valetta

Von Küsten und Städten Die längere Zeit auf dem Schiff benützte Ende dazu, die vorbeiziehenden Landschaften festzuhalten, wobei er nach und nach stark stimmungshafte Elemente einsetzte. Man fuhr vorbei an Korfu, das Kaiserin Elisabeth (die damals noch nicht geboren war) später so viel bedeuten sollte, an Sizilien und Sardinien. Dann musste man wieder wetterbedingt eine Landung einlegen, diesmal in der britischen Kronkolonie Malta, deren Hauptstadt die Malteserritter zu einer so gewaltigen Festung ausgebaut hatten. “Der Hafen von La Valetta” wirkt in der Aquarellform wie die Vorarbeit für ein mögliches großes Bild. Nur bei genauem Hinsehen merkt man, dass der Künstler sich hier in den Dimensionen verschätzt hat – um links noch Bäume als “Rahmen” für das Hafenbecken hinzuzufügen, musste er einen Papierstreifen ankleben…

Ender Gibraltar Spitze von Europa x
Gibraltar

In Richtung Atlantik Am 1. Mai 1817 ging es von Malta weiter in Richtung Gibraltar, ebenfalls eine britische Enklave. Das Meer war so unruhig, dass man dort Mitte des Monats drei Wochen lang bleiben musste, was Ender die Möglichkeit gab, die Felsenlandschaften geradezu “dramatisch” zu beschwören. 4 Panoramen und 29 Ansichten von Gibraltar waren das Ergebnis seines Fleißes. Am 3. Juni 1817 ging es schließlich weiter, wobei der letzte Zwischenstopp auf der Insel Madeira eingelegt wurde (später Exil- und Begräbnisort des letzten österreichischen Kaisers Karl). Madeira war in portugiesischem Besitz, und es war der Kronprinz aus dem portugiesischen Haus Braganza, den Erzherzogin Leopoldine am 13. Mai 1817 per procurationem geheiratet hatte, worauf sie sich (mit einem andern Schiff) nach Brasilien aufmachte, um ihren Gatten kennen zu lernen (die portugiesische Königsfamilie war vor Napoleon in ihre Kolonie Brasilien geflüchtet). Mehrere Ansichten von Madeira stehen am Ende der Ausstellung (abgesehen – wie erwähnt – von dem berühmtesten Rio-Motiv).

Die wahre Arbeit beginnt Als die „Austria“ am 6. Juni 1817 Funchal verließ und am 14. Juli 1817 in Rio de Janeiro ankam, hatte man 92 Reisetage hinter sich, wobei Ender das Leben auf dem Schiff dokumentiere (wo man auch seine eigene, von ihm verewigte Kapelle hatte, um sich mit Musik die Zeit zu vertreiben). Erzherzogin Leopoldine war noch nicht in Brasilien eingetroffen, aber die österreichische Mannschaft nahm ihre Arbeit auf. Ender, der mit ungeheurem Fleiß im ganzen über 700 Zeichnungen und Aquarelle nach Wien zurück brachte, erkrankte in Brasilien mehrfach, blieb aber dennoch fast ein Jahr lang dort. Erst am 1. Juni 1818 trat er (dennoch früher als vorgesehen) seine Rückreise an.

Die Karriere eines Künstlers Obwohl man ihm lange Zeit einen Großteil seines verabredeten Honorars nicht auszahlte, konnte Thomas Ender sich über seine weitere Karriere nicht beschweren: Metternich erhielt ihm seine Gunst, ein Stipendium ermöglichte ihm einen langen Italien-Aufenthalt, und später machte er fast ein Vierteljahrhundert lang als einer der Kammermaler von Erzherzog Johann sich und diesem Ehre (die Albertina hat ihm und seinen Kollegen in dieser Eigenschaft 2015 eine besonders schöne Ausstellung gewidmet). In Johanns Diensten kam er auch als Reisender bis in den Vorderen Orient. Thomas Ender starb am 28. September 1875 in Wien und ist auf dem Zentralfriedhof begraben.

Bis 18. Februar 2018,
Täglich außer Dienstag 10 – 18 Uhr
Der Katalog enthält alle gezeigten Werke und eine Einführung zum Thema

 

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