Theatermuseum im Palais Lobkowitz
JOHANN STRAUSS
DIE AUSSTELLUNG
Vom 4. Dezember 2024 bis zum 23, Juni 2025
200 – und kein bißchen alt
Wien pflegt das Jahr mit der „Fledermaus“ zu beenden, und die Welt (mit ein paar tausend Wienern live dabei) eröffnet das Neue Jahr traditionsgemäß mit seinen Werken beim Neujahrskonzert im Musikverein, das per Fernsehen jedermann erreichen kann, ob man in Bogota ist oder in Singapur. Österreichische Reisende werden festgestellt haben, dass sie in Flughäfen von Sydney oder Santiago mit den heimischen Walzerklängen empfangen wurden. Johann Strauss war ein Weltstar, ist ein Weltstar und gleichzeitig gehüteter Wiener Besitz.
Zur Wiederkehr seines 200, Geburtstags türmen sich die Ereignisse, auch auf dem Ausstellungssektor. Das, was das Theatermuseum unter dem herausfordernden und berechtigten Titel „Die Ausstellung“ zu bieten hat, wird allerdings nicht so leicht zu toppen sein – so reizvoll, so leichtfüßig, so unwiderstehlich gestaltet, ist man nicht oft durch ein Künstlerleben geführt worden.
Von Renate Wagner
Der Schani Sie nannten ihn „Schani“, den zweiten Johann Strauss, der erste, der „Vater“, hatte drei Söhnen sein musikalisches Talent mitgegeben, vor allem dem ersten Sohn Johann. Er wurde vor 200 Jahren, am 25. Oktober 1825 in Wien geboren und starb am 3. Juni 1899 ebenda. 1999, anlässlich des hundertsten Todestages gab es, damals im noch „Historischen Museum der Stadt Wien“ am Karlsplatz, eine Großausstellung, Nun haben sich das Theatermuseum und die Wien Bibliothek im Rathaus (die die größte Strauss-Sammlung besitzt) zusammengetan, um dem Genius zu huldigen. Sie können auf bemerkenswerte Objekte zurück greifen und vielfach auf den „Zauber des Originals“ setzen – wer hätte denn je die Originalpartitur der „Fledermaus“ gesehen? Im übrigen haben die Gestalter – Thomas Aigner und Karin Neuwirth – erfolgreich einerseits den „Walzerkönig“ (der „Donauwalzer“ ist im Grunde Österreichs wahre Hymne) und den „Großmeister der Operette“ mit Werk, Arbeitswelt und Wirkung in den Mittelpunkt gestellt, wie auch dem „privaten“ Johann Strauss Rechnung getragen.
Werk und Wirkung „Von der Fledermaus zum Neujahrskonzert“, der klassische, von Strauss beherrschte Jahreswechsel, zeichnet auch die Ausstellung mit ihren acht Räumen aus. Mit der „Fledermaus“ beginnt es, mit dem Neujahrskonzert endet es. Dabei ist der „Fledermaus“-Raum ein Juwel für Theaterliebhaber, die einzelnen Figuren der Operette haben jeweils eine Nische mit Figurinen, Fotos, im Fall des Frosch auch ein Kostüm (allerdings wird nicht gesagt, wer es wann getragen hat). Dabei hat „der Schani“ als der „Walzerkönig“ begonnen, ein Genre, das nur sein Vater und sein Bruder Josef so unvergleichlich beherrschten wie er.
Doch das Phänomen Strauss bestand in den Live-Auftritten, wo man die einzelnen Stationen in Wien aufgearbeitet hat – das Dommayer, das Zögernitz bestehen noch heute, über die Sophiensäle oder das Diana-Bad ist die Zeit hinweg gegangen. Dass Strauss reisen musste, für Ruhm und Geld, wird dokumentiert und auch humorvoll mit einem nachgebauten Eisenbahncoupé, mit einem altmodischen großen Reisekoffer gezeigt.
Der Mann in Ketten Betrachtet man in den übrigen Räumen das Leben von Johann Strauss (wobei auch eine interessante Time-Line erstellt wurde), wird klar, dass dieser Mann immer in Ketten lag. Als Zentrum des „Familienbetriebs“ fand er sich zwischen dem mißbilligendem Vater und der ehrgeizigen Mutter eingeklemmt, dazu kamen die hilfreichen Brüder. Drei Ehefrauen (zwei machten ihn durchaus glücklich) hinderten ihn nicht an vielen Abenteuern – vor allem seine Rußland-Reisen haben ihn vor seiner ersten Ehe in ernste, unglückselige Bande gelegt, an Olga Smirnitskaja schrieb er leidenschaftliche Briefe, die erst in neuerer Zeit gefunden wurden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung konnte sogar in seiner Musik manches „Biographische“ finden.
Das ominöse Objekt Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde immer wieder betont, wie sehr die Nationalsozialisten Strauss „vereinnahmt“ hätten. Tatsächlich war er wohl (neben Wagner und Lehar) einer der Komponisten, deren Musik Adolf Hitler am besten gefiel. Und Joseph Goebbels wollte nicht dulden, dass auf diesem Künstler der Makel einer jüdischen Herkunft haftete. Dabei war es viele Generationen her, dass ein Strauss als „getaufter Jude“ im Kirchenbuch von St. Stephan auftauchte. Doch auch das durfte nicht sein. Man ließ das Buch (das übrigens überraschend klein ist) nach Berlin bringen, fotokopierte es, schnitt die inkriminierte Stelle heraus und nannte die Neufassung eine „Beglaubigte Kopie“. Kurioserweise haben die damit befassten Beamten in Berlin die originale Seite nicht vernichtet, sondern wieder in das originale Buch geklebt – ob aus deutscher Gründlichkeit oder Gewissenhaftigkeit, wer weiß das schon. Tatsache ist, dass von diesem „Kirchenbuch“ immer (auch spöttisch) die Rede war, es aber außer gewissenhaften Strauss-Forschern wohl kaum jemand gesehen hat. Nun ist es in der Ausstellung – und gleich zweimal. Das Original und die beschönigte Kopie. So seltsam können die Wege der Geschichte sein.
Der Katalog, der keiner ist Jeder, der sich für Strauss interessiert, wird mit dem Begleitbuch „Johann Strauss. Ein Leben für die Musik“ (Residenz Verlag) grundsätzlich hoch zufrieden sein. Denn es enthält Einzelartikel ausgewählter Fachleute, die das Thema Strauss von einst bis heute einordnen, sowohl im sozialen Kontext wie bis zur modernsten Entwicklung (sprich: Kann K I wie Strauss komponieren?). Eines allerdings ist das Buch nicht, nämlich ein Katalog. Seine Bilder (wobei die Bebilderung nicht allzu reichlich ausgefallen ist) stammen wohl großteils aus der Ausstellung, aber es fehlt das Elementare, nämlich die Auflistung der 300 Objekte, die den Wert dieser Präsentation ausmachen.
Hat man schon im Wien Museum derzeit einen Direktor, dem der Sinn für Dokumentation abgeht und der ebenfalls nichts von Katalogen hält, sondern nur zeitkritische Begleitbücher anbietet, so sollte dies nicht nur Gewohnheit werden. (Dies als dringliche Bitte an den neuen Direktor des Theatermuseums.) Jeder Ausstellungsbesucher mit nachhaltigem Interesse weiß um die Wichtigkeit, einzelne Objekte noch einmal in Ruhe genau ansehen zu können und dazu die korrekte Beschreibung zu erhalten. Sie sind die Seele von Ausstelllungen. Begleitbücher sind etwas anderes. Vielleicht wird man im Museum selbst einmal bedauern, diese kostbare Ausstellung nicht ordentlich dokumentiert (und das auch veröffentlicht) zu haben…
Theatermuseum im Palais Lobkowitz
JOHANN STRAUSS
DIE AUSSTELLUNG
Vom 4. Dezember 2024 bis zum 23, Juni 2025
Geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr