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WIEN / Theatermuseum: DIE MARISCHKAS

17.10.2023 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Theatermuseum:
SHOWBIZ MADE IN VIENNA
DIE MARISCHKAS
Von 18. Oktober 2023 bis 9. September 2024

That’s Entertainment!

Wer „Marischka“ sagt, denkt „Sissi“, und das ist entschieden zu kurz gegriffen. Denn es gab nicht nur einen Marischka, sondern viele, und nicht nur einen Kultfilm (als Trilogie), sondern eine schier unglaubliche Familiengeschichte im Dienste eines speziell österreichischen Unterhaltungsauftrags auf Bühne und im Film. „Showbiz Made in Vienna“ nennt das Theatermuseum in Wien seine Großausstellung über „Die Marischkas“, wo man dank der Nachlässe der Brüder Hubert und Ernst Marischka auf unerschöpfliche Schätze zurück greifen konnte.

Von Renate Wagner

Die Marischkas     War es ein Zufall, dass der Vater von Hubert und Ernst, die im Zentrum der Wiener Ausstellung stehen, „Vergolder“ war? Seinen Söhnen geriet (Rückschläge natürlich einkalkuliert) das meiste, das sie angriffen, zu Gold.

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Sie widmeten sich der Unterhaltungsbranche im breitesten Sinn, wobei Hubert Marischka ((1882-1959) als geradezu beängstigendes Multitalent galt – Schauspieler, Operettentenor, der auch auf der Geige und am Flügelhorn brillierte. Aber das war nur ein kleiner Teil seiner Talente, die auch Regisseur, Produzent, Autor, Verleger  und schließlich Theaterdirektor umfassten. Sein Bruder Ernst Marischka (1893-1963) schrieb  Libretti, Schlagertexte, Wienerlieder  und legte seinen Schwerpunkt als Drehbuchautor und Regisseur auf die Welt des Films, wobei er die größten Erfolge mit der jungen Romy Schneider feierte.  Huberts Söhne Franz (aus der Ehe mit Lizzy Leon , der Tochter des Librettisten Viktor Leon) und Georg (aus der Ehe mit Lilian Karczag, Tochter des Theaterimpresarios Wilhelm Karczag) machten beim Film Karriere, einige Enkel wurden Schauspieler und sind bis heute tätig. Rund um die Marischka-Brüder der ersten Stunde waren auch meist die Gattinnen künstlerisch beteiligt – von Lilian Marischka hängt in der Ausstellung ein bewundernswertes Gemälde des großen John Quincy Adams, der die Creme de la Creme der Wiener Gesellschaft porträtierte.

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Huberts Welt    Der erste Schwerpunkt der Ausstellung gilt dem umfangreichen Schaffen von Hubert Marischka auf dem Gebiet der Revue und Operette. Die zwanziger Jahre waren die Epoche der großen Revuen in den Hauptstädten der Welt, London, Paris, Berlin. Die Wiener Revuen, die Marischka auf die Bühne brachte, waren überbordend von Einfällen, Kostümshows ohnegleichen, witzig und originell – ein Modell des Stefansdoms, in das eine Tänzerin gesteckt wurde, hat man für die Ausstellung nachgebaut. Es ging auch darum, wie Roland Fischer-Briand, Kurator der  Ausstellung und Leiter der Fotosammlung des Hauses, betont, der Unterhaltung einen wienerischen Touch zu geben, der das Selbstbewusstsein des von der Habsburger-Monarchie übrig gebliebenen Mini-Österreich Auftrieb gab.

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Hubert Marischka verlegte sich dann als Produzent auf die Operette – als Operettentenor war er ein Liebling der Wiener -, und „erbte“ mehr oder minder die Funktionen seines zweiten Schwiegervaters Wilhelm Karczag, dem er als Direktor des Theaters an der Wien und Besitzer des von diesem gegründeten Bühnen- und Musikverlages nachfolgte. Sowohl für die letzte Glanzepoche der Wiener Operette (vor allem mit Kalman-Werken), für die Hubert verantwortlich  zeichnete, wie für die geschickte weltweite Vermarktung bietet die Ausstellung reichlich Material, wobei Fotos (schwarzweiß oder bräunlich) und Plakate (sehr bunt) auch davon zeugen, wie perfekt Hubert Marischka seine Produktionen medial verarbeitete. Immerhin konnten die Kuratoren aus gut 20.000 Objekten aus dem Nachlass des Künstlers zurück greifen.

 

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Und dann kam das Kino…  Huberts Bruder Ernst, elf Jahre jünger als dieser, besaß ähnliche Talente, hat sich aber von früher Jugend besonders für die Welt des Films interessiert – in die ihm Hubert als Schreiber, Produzent und Darsteller gefolgt ist. Auch von Ernst Marischka gibt es einen riesigen Nachlass, im Filmarchiv aufbewahrt und aufgearbeitet. Die  Filmwissenschaftlerin Clara Huber fungiert hier als Kuratorin. Ernst Marischka engagierte sich nur als Drehbuchautor und Regisseur hinter der Kamera, und zwar schon in ersten Stummfilmzeiten. Man kann in der Ausstellung Teile des berühmten, von Ernst geschriebenen, von Hubert inszenierten  Films „Der Millionenonkel“ von 1913 mit Alexander Girardi sehen.

marischka 04 raum 2~1Die  Ausstellung führt dann in die hohe Zeit der Ernst-Marischka-Filme, die in der Kriegszeit einfach nur die Unterhaltung bedienten (vor allem mit Stars wie Hans Moser und Theo Lingen) und in der Nachkriegszeit ein nostalgisches Österreich-Bild auf die Leinwand zauberten. Dabei ist die Marischka-Vielverwertung zwischen den Genres etwa auch an einem Film wie „Die Deutschmeister“ (1955 mit der blutjungen Romy Schneider) fest zu stellen. Da gab es zuerst eine Filmoperette, dann den Spielfilm, und schließlich wurde später die Robert Stolz-Operette „Frühjahrsparade“ daraus (1964 an der Volksoper, mit dem alten Hubert Marischka-Effekt der gegenläufig drehenden Drehbühnen. Damals schon hat man heftig mit der Habsburger-Nostalgie gearbeitet (Paul Hörbiger spielte den Kaiser Franz Josef). Und ebenfalls damals schon setzte Ernst Marischka vor der Kamera gerne Theaterschauspieler ein – ein Glücksfall für die Nachwelt, die hier Adrienne Gessner, Susi Nicoletti, Josef Meinrad oder Heinz Conrads erleben kann.

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 „Sissi“ von den Anfängen bis heute     Die beiden letzten Räume sind dann für jene Kinofans gedacht, die sich „Sissi“ nie von der Verachtung der Cineasten madig machen ließen. Hier geht es um „Sissi“ – vielmehr um die Genealogie dieser drei mittlerweile legendären Filme, die Ernst Marischka 1955 bis 1957 drehte. Voraus gegangen war das Singspiel „Sissy“, das die Brüder Marischka auf der Basis einer Komödie schrieben, die sie in ihrem Verlag gekauft hatten, und von Fritz Kreisler mit Musik versehen ließen.

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1932 im Theater an der Wien mit Paula Wessely und Hans Jaray uraufgeführt, war es ein Sensationserfolg. Dass man das Werk dann nach Hollywood verkaufen konnte, wo Josef von Sternberg 1932 den Film „The King Steps Out“ daraus machte, verursachte allerlei rechtliche Schwierigkeiten, als Ernst Marischka in den fünfziger Jahren seine Sissi-Filme plante. Immerhin wurden folglich keine Singspiele daraus, was der Sache sicherlich gut bekam. Romy Schneider und Karlheinz Böhm waren zweifellos Idealbesetzungen für die Filme, die als Kitsch betrachtet wurden, aber Millionen einspielten. Die Besetzung der Erzherzogin Sophie mit Vilma Degischer musste Marischka gegen den Willen der deutschen Co-Produzenten durchsetzen: Es wurde eine der berühmtesten schauspielerischen Leistungen der Filme.

Einen Schlenker macht die Ausstellung, die auch einige Kostüme zeigt, zur Kostümbildnerin Gerdago, die alle drei Sissi-Films ausstattete – eine Jüdin, die an der Seite ihres arischen Gatten den Nationalsozialismus überleben durfte und die Arbeitslosigkeit dieser Jahre damit bekämpfte, dass sie Mode aller Jahrhunderte studierte, was ihr später bei ihrer erfolgreichen Arbeit für Film und Theater mehr als zugute kam. Ein Kleid, das sie für Romy Schneider entworfen hat, wurde nachgeschneidert.

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Das Thema Sissi (Sissy, Sisi) führt die Ausstellung weiter aus, bis ins Mechandising des Elisabeth-Kults bis heute (wofür man sich auch weiße Originalstrümpfe der Kaiserin geliehen hat). Da gibt es die Barbie-Puppe und Einblicke in die Netflix-Verfilmung.

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Aber der allgemeine Traum eines Publikums mit heimlicher Vorliebe für „Kaisers Zeiten“ ist wohl Romy Schneider in der Rolle, die sie persönlich gehasst hat, ohne die sie aber nicht der Weltstar Romy Schneider geworden wäre… Dank Ernst Marischka und seiner unvergleichlichen Begabung für herzerwärmenden Monarchie-Kitsch.

 

 

Theatermuseum
,Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien
SHOWBIZ MADE IN VIENNA. DIE MARISCHKAS
 Von 18. Oktober 2023 bis 9. September 2024
Täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr

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