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WIEN / Theatermuseum: CHRISTINE DE GRANCY – THEATERPHOTOGRAPHIE

02.06.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Theatermuseum: 
CHRISTINE DE GRANCY –
STURM UND SPIEL
THEATERPHOTOGRAPHIE
Vom 3. Juni 2022 bis zum 7. November 2022 

Als die Schauspieler noch Könige waren

Marie-Theres Arnbom begrüßte zwar als neue Direktorin des Theatermuseums die Presse zur Führung durch die Ausstellung von Theaterfotografien von Christine de Grancy, gab aber zu, dass sie selbst für dieses Projekt noch nicht verantwortlich war. Immerhin passt es perfekt in das Haus, blendet es doch in Theaterzeiten zurück, die in der Ära von Direktor Achim Benning am Burgtheater eine Hochblüte großer „wienerischer“ Schauspielkunst brachte (die zehn Jahre später von Claus Peymann gnadenlos zertreten wurde).

Von Renate Wagner

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Christine de Grancy      Es gilt, ihren 80. Geburtstag zu ehren. Geboren 1942 in Brünn, war sie ausgebildete Keramikerin und Graphikerin und ab 1963 als Art Directorin in Wiener Werbeagenturen tätig, bevor sie sich 1965 ausschließlich der künstlerischen Fotografie zuwandte. Von 1979 bis 1992 hat sie, von Erika Pluhar „ans Theater gebracht“, als Fotografin Aufführungen des Burg- und Akademietheaters begleitet, darüber hinaus war sie an zahlreichen Ausstellungen und Buchveröffentlichungen beteiligt. Die Schauspielerin Mercedes Echerer, mit der Christine de Grancy seit langem befreundet ist, hat in ihrem eigenen Verlag  „Die2“, schon den Band „Götterbilder“ heraus gebracht, nun auch den Katalog zu dieser Ausstellung, die von ihr auch kuratiert wurde.

theaterfoto raum 1 an der leine x~1Die Fotos an der Wäscheleine     Der Not gehorchend, hat Christine de Grancy einst, als sie in der Ära Jelzin eine Ausstellung in Russland gestaltete, die „sparsame“ Methode gefunden, Fotos nicht einzelnen an den Wänden oder in Vitrinen zu zeigen, sondern quasi mit Kluppen an Leinen aufzuhängen. Das ermöglicht, eine größere Zahl von Fotos zu zeigen, durch die man sich individuell durchblättern kann  – in der nunmehrigen  Ausstellung, der auch nur zwei Räume zur Verfügung stehen, sind es 400.  Die Aufführungen, die für dese Ausstellung ausgewählt wurden, sind zweifellos erinnerungswürdig – viele von Achim Benning selbst inszeniert, daneben Arbeiten von Dieter Giesing, Horst Zankl, Dieter Berner. Die Spannweite reicht von Nestroy bis Schnitzler, von den großen Russen bis zu Feydeau, dazu „Kalldewy Farce“ von Botho Strauß und die Uraufführung von „Das alte Land“ von Klaus Pohl.

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Die Ära Benning    Achim Benning, Jahrgang 1935,  gebürtig aus Magdeburg (und immer ziemlich deutsch-humorlos wirkend), folgte 1976 als Burgtheaterdirektor auf Gerhard Klingenberg, der sich nicht nur Freunde gemacht hatte, um zehn Jahre später Claus Peymann zu weichen, der sich auch nicht nur Freunde machte. Man muss die Ära Benning, die vieles brachte (eine Premierenfülle, wie es sie dann lange nicht mehr gab), nicht hochjubeln, aber zu seiner Zeit gab es einfach großartiges Schauspielertheater – etwas, das schon damals mit Hilfe von „Theater heute“ langsam aus der Mode kam.

Die Fotos     Sie sind schwarzweiß, was zweifellos eine bewusste Entscheidung war, und sie sind keine scharf gestochenen Szenenbilder. Es handelt sich nicht um Dokumentation, sondern um Impressionen, die das Gefühl von Aufführungen ebenso vermitteln wie Seelenzustände von Darstellern in ihren Rollen. In den an der „Wäscheleine“ aufgehängten Fotos zu blättern, mag eine praktische Lösung sein, die bequemste für den Ausstellungsbesucher ist es nicht. Glücklicherweise gibt es den Katalog, in dem man dann zuhause schwelgen kann. Im übrigen hat Christine de Grancy nicht nur während der Vorstellungen, sondern auch „daneben“ auf den Auslöser gedrückt: Paulus Manker in einer Telefonzelle oder halbnackt in der Garderobe zum Beispiel. Und man erinnert sich auch, was man vergessen hatte, dass einst Karl Lagerfeld, hier mit einer Zeichnung in der Hand, die Kostüme für Schnitzlers „Komödie der Verführung“ entworfen hat…

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Die Interpreten     Wer je ein Burgtheater-Liebhaber war (und noch am Leben ist), war es nach der Ära Häussermann, die den Grundstein für das legendäre Burgtheater-Ensemble der Nachkriegszeit gelegt hat, in der Ära Benning. Die Schauspieler waren einfach zu wunderbar (und machen den heutigen Kollegen durch die Erinnerungen, die man in sich trägt, das Leben schwer). Vor allem aber durften sie sich entfalten – ihre Qualitäten, ihre Eigenheiten, ihr ganz spezifisches Wesen. Wer nennt die damals Jungen und Schönen, Erika Pluhar, Gertraud Jesserer, Kitty Speiser, Elisabeth Orth und Maresa Hörbiger, Sylvia Lukan, auch Maria Bill kam auf einen Abstecher, wer nennt die Älteren, Susi Nicoletti, Inge Konradi, Annemarie Düringer, Bibiana Zeller, Gusti Wolf, wer nennt die damals Pudeljungen wie Regina Fritsch… Man muss nur die Gesichter von Fritz Muliar und Franz Morak sehen, um zu ermessen, wie gnadenlos (und richtig) sie damals Nestroy gespielt haben. Und die anderen Männer? Michael Heltau, Held in vielen von Bennings „Russen-Inszenierungen“. Helmuth Lohner, Karlheinz Hackl, Joachim Bißmeier, Kurt Sowinetz, Johannes Schauer, Norbert Kappen, Wolfgang Gasser. Robert Meyer war noch Burgschauspieler, Wolfgang Hübsch war vom Volkstheater herüber gekommen ebenso wie Herbert Propst und Walter Langer. Es gab noch den großen Attila Hörbiger, Romuald Pelmy imd Edgar Selge schauten vorbei – und jeder dieser Namen wird in den Theaterfreunden, die damals dabei waren, beglückte Assoziationen auslösen.

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Die Versteigerung     Die Fotos (teils mit handschriftlichen Anmerkungen der Fotografin) werden nach und nach für einen wohltätigen Zweck versteigert, man kann sich also ein Lieblingsbild nach Hause nehmen (und einrahmen). Die beste Erinnerungs-Investition für den nostalgischen Rückblick in wunderbare Theaterzeiten ist aber wohl der Katalog.

Theatermuseum, 1010 Wien, Lobkowitzplatz 2,
Christine de Grancy – Sturm und Spiel. Theaterphotographie
Bis 7. November 2022, täglich außer Dienstag von 10 bis 18 Uhr

 

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