WIEN / Theatermuseum:
AUSTROPOP<
VON MOZART BIS FALCO
Vom 12. Oktober 2022 bis zum 4. September 2023
Abseits der Hochkultur
Dass Museen nicht nur Orte der hohen Kunst sind, hat sich allerorten herumgesprochen. Schon gar ein Theatermuseum kann sich nicht nur den „edlen“ Mimen und der Hochkultur widmen, befand Marie-Theres Arnbom, die neue Direktorin des bislang weitgehend stagnierenden Wiener Hauses – und startet mit einem Knalleffekt. „Austropop“ ist ein Stück heutiger Alltagskultur (wenn auch, wie man sieht, die großen Namen schon „historisch“ sind) – und wo man die Anfänge dieser „subversiven“ Welt ansetzt, das ist Interpretationssache. Im Theatermuseum grüßt den Besucher beim Eintritt in die Ausstellungsräume – Johann Nestroy…
Von Renate Wagner
Was ist Pop? Nun würde vielleicht nicht jeder Nestroy als Austropop sehen, schon gar nicht Mozart, und das „Neujahrskonzert“ als größtes österreichisches Pop-Event zu bezeichnen, ist auch Ansichtssache. Andererseits können gerade Museen Phänomene nicht losgelöst von ihren Anfängen und Vorgängern sehen. Wenn Austropop nach dem Zweiten Weltkrieg die Antwort auf eine allzu betuliche, verlogene Schlager-Welt war, dann hat schon Nestroy dem edlen Burgtheater die kritische „Stimme des Volkes“ entgegen geworfen – in der Sprache der einfachen Leute, mit aller Aufmüpfigkeit. Und das ist schließlich auch das Wesen des Austropops – aus der Tiefe des Dialekts und aus der Tiefe des unangepassten Empfindens.
U und E Die Trennung zwischen „E“, der ernsten Kunst, und „U“, der blanken Unterhaltung, ist in unserer Welt, wo die „Events“ mittlerweile überwiegen, längst aufgehoben. Aber war das nicht schon immer so? Das Theatermuseum hat für seine „Austropop“-Schau den Untertitel „Von Mozart bis Falco“ gewählt, und tatsächlich ist Mozart von seinen großen Opern mit der „Zauberflöte“ in die Vorstadt, zum „Volk“ hinab gestiegen – darum findet man gleich im ersten Raum das Federkostüm, wie es Emanuel Schikaneder als Papageno trug (im konkreten Fall ist es das Kostüm von Erich Kunz in dieser Rolle…), neben einer Statue von Falco, der mit „Rock Me Amadeus“ bekanntlich einen Welterfolg landete. Später wird man auch dem Plakat des „Mozart“-Musicals des Theaters an der Wien auf Koreanisch begegnen – man hat österreichische Kultur, „popig“ verpackt, erfolgreich in die Welt geschickt.
„Bühnenbilder“ für eine Ausstellung Die Räume, die wiederum einzelnen Kuratoren zugeteilt waren, sind wie Bühnenbilder gestaltet, und da hängt auch schon einmal etwas von der Decke herab. Das Thema ist dabei so breit aufgestellt wie möglich – natürlich waren es frühe „Events“ im heutigen Sinn, wenn Johann Strauß dirigierte, wenn Alexander Girardi auftrat, wenn man Operetten spielte, wobei einzelne – wie „Das Dreimäderlhaus“ oder „Sound of Music“ – im Ausland mehr zum Österreich-Bild beitrugen als in Österreich selbst, wo diese Stücke nicht übertrieben populär sind. Den Gestaltern ging es um Räume – man zauberte eine Erinnerung an das Café Hawelka herbei (wo Georg Danzer einst einen „Nackerten“ platzierte), man schuf sogar eine eigene, aktive Karaoke-Ecke mit Wurlitzer. Wenn sich herumspricht, dass im Sinn von „interaktiven“ Angeboten auch Besucher auftreten und sich präsentieren können, würde man sich nicht wundern, wenn Jugendliche sich hier rudelweise zu Pop-Parties einfänden…
Welt der Bilder und Töne Die Ausstellung führt mit Hilfe von Bildern, Plakaten, Plattencovern, Programmen, Memorabilia durch ein Phänomen, für das Österreich viele große Namen (und Erfolge) aufzuweisen hat, zumal wenn man die „Renitenz“ als Grundtonart nimmt und dann natürlich auch schon Qualtinger in den Austropop einbezieht, den Marianne Mendt einst früh mit Glockentönen einläutete. Von Heller bis Brauer, von Ambros bis Fendrich, von Danzer (den manche am höchsten schätzen) bis Hirsch, wer zählt tatsächlch die Namen und die Talente, die teils auch als Schauspieler reüssierten, teils als Texter und Komponisten?
Die Goldenen Schallplatten jedenfalls leuchten den Besuchern entgegen. Die Austropoper waren alle „böse Buben“ (sehr wenige Mädchen darunter), die riesigen Erfolg hatten, weil sie vielen Menschen eher aus der Seele sprachen als Kunstlieder (wobei absolut nichts gegen diese gesagt sei).
Exkurse aller Art Es ist erstaunlich, was den Kuratoren alles eingefallen ist, sie fanden auch in Sportevents „Pop“. Sie erinnern daran – und der Hochkultur-Freund kann ein Lächeln nicht unterdrücken – , dass Bogdan Roscic sich als Ö 3-Chef nachhaltig unbeliebt gemacht hat, als er Austropop aus dem Programm verbannte (man nimmt es ihm heute noch übel).
Die Ausstellung führt bis zu den jüngsten, noch nicht so bekannten Namen der Szene, die oft ihre Songs wieder auf Vinyl-Schallplatten pressen… Ein Shop am Ende bietet nicht nur eine Welt von CDs aller vertretenen Künstler, zeigt auch, was die Szene schon an Merchandise hervorgebracht hat, und beweist mit Büchern über einzelne Interpreten, wie sehr sie aus einem brodelnden „Untergrund“ ins allgemeine Bewusstsein aufgestiegen sind. Es ist ja doch eine Museums-Schau, mehr als nur die Reflexion von in jeder Hinsicht griffigem „Entertainment“, sondern ein wichtiges Stück Zeitgeschichte.
Theatermuseum (1010, Palais Lobkowitz)
AUSTROPOP
VON MOZART BIS FALCO
Bis zum 4. September 2023,
täglich außer Dienstag, 10 – 18 Uhr