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WIEN / TheaterForumCenter: DAS GEHEIMNIS DER DREI TENÖRE

25.11.2018 | KRITIKEN, Theater

WIEN / TheaterForumCenter:
DAS GEHEIMNIS DER DREI TENÖRE von Ken Ludwig
Produktion der Neuen Bühne Wien /
Premiere bei den Wachaufestspielen Weißenkirchen
17. Juli 2018
Premiere in Wien: 23. November 2018,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 24. November 2018

 

 

 

Wahrscheinlich gibt es kaum einen Wiener Theaterbesucher mittleren Alters, der „Othello darf nicht platzen“ nicht gesehen hat – schließlich spielte die Josefstadt dieses Stück von Ken Ludwig 19 (!!!) Jahre lang (von 1990 bis 2009) in den Kammerspielen, in 470 Vorstellungen, wo im Lauf der Jahre alle Rollen alternierend besetzt wurden. Nur eine nicht: 470mal legte Otto Schenk als Tito Merelli seine liebevolle Pavarotti-Parodie auf die Bretter…

Ken Ludwig, Jahrgang 1950, hat viele Stücke geschrieben, aber keines, das berühmter wurde (obwohl „Moon over Buffalo“, die Geschichte einer amerikanischen Tournee-Aufführung der „Widerspenstigen“, auch sehr hübsch war). Ein Tenor ist ein Tenor ist ein Tenor, auch auf dem Theater, und weil Ken Ludwig vermutlich damit Millionär geworden ist, schickte er „Lend me a tenor“ von 1986 in ziemlichem Respektabstand nun eine Fortsetzung mit großteils denselben Figuren nach: „A Comedy of tenors“ kam 2015 in Cleveland heraus und heißt nun in der österreichischen Fassung „Das Geheimnis der drei Tenöre“. Drei Tenöre gab es ja, und so lange Tito Merelli einer von ihnen ist…

Ken Ludwig hat das Stück zwar in das Paris von 1936 verlegt, was völlig egal ist, der Tenor, der abspringt, ist Jussi Björling, der, der einspringt, heißt fiktiverweise Carlo Nucci, und Tenor Nr. 3 ist Max, aus dem vorigen Stück bekannt, Schwiegersohn von Impresario Henry Saunders (aus dem vorigen Stück bekannt, wenn auch niemand die trockene, kaltschnäuzige Attitüde des Businessman besser verkörpern wird als der unvergessene Gideon Singer). Wieder dabei, aus dem vorigen Stück bekannt, ist Maria, die mit ihrem Temperament bühnensprengende Gattin von Tito, neu dabei ist ihre Tochter Mimi, die sich natürlich ausgerechnet in den jungen Tenor Nucci verliebt, der Papa (der das Alter spürt) neidvoll ein Dorn in Auge ist. Zumal er ihn durch ein Missverständnis für den Liebhaber seiner Ehefrau hält… ja, wenn man auch dem Freund der Tochter dabei helfen muss, vor ihm knieend den Reißverschluß seiner Hose zuzuziehen und dabei beobachtet wird!


Gerhard Dorfer, Stephan Paryla-Raky, Michael Duregger, Ben Marecek Foto: Neue Bühne Wien / sam_madwar

Wenn nun alles nach altbewährtem Muster drunter und drüber geht und der Star natürlich droht, nicht zu singen, naht ein bejahrter Hotelboy, der ihm verblüffend ähnlich sieht und göttlich singt… und auch noch die privaten Aufgaben des müden Stars zu übernehmen bereit ist: Bei dessen Gattin und dessen russischer Sopran-Freundin, die plötzlich auftaucht – manchmal möchte man den Herrschaften auf der Bühne „zu viel!“ zuwinken, aber auch die Posse ist ein legitimes Theatergenre.

Das Stück war diesen Sommer in der Aufführung der „Neuen Bühne Wien“ von Marcus Strahl in Weißenkirchen so erfolgreich, dass es nun im TheaterForumCenter eingezogen ist. Hauptdarsteller Stephan Paryla-Raky schöpft die Möglichkeiten der Turbulenz sprachlich und körpersprachlich ultimativ aus, vergisst allerdings mit trompetenhafter Lautstärke, dass ein kleines Innenraum-Theater nicht dasselbe ist wie der Freilicht- Teisenhoferhof. Auch nützt der Darsteller die Möglichkeiten der Doppelrolle kaum – Merelli hier, „Beppo“ aus Venezia dort, hätte die Möglichkeit gegeben, zwei verschiedene Charaktere zu differenzieren. Aber sie sehen und hören sich ein bisschen zu ähnlich an. Da wäre etwas feinerer Spaß zu holen gewesen, aber es liegt wohl auch an der Regie von Marcus Strahl, der den Abend wie einen aufgebohrten Maserati durchbrausen lässt… Man merkt es besonders an den Schreiduellen des Ehepaars Merelli, wo Leila Strahl voll mithält.

Unabdingbare Stützen der Geschichte waren schon im ersten Teil der gequälte Impresario, der nie Zeit zu legitimer Verzweiflung hat, weil er immer Lösungen finden muss – man glaubt es Gerhard Dorfer. Sein Adlatus und nunmehriger Schwiegersohn Max ist zwar auch zum Tenor aufgestiegen, muss aber immer noch als Prügelknabe herhalten, was Michael Duregger recht drollig ausfüllt. Sympathisch ist die Begegnung mit Ben Marecek – ja, der Name verrät es, er ist der Sohn des bekannten Heinz Marecek, den man als Meister der Komödiantik in Erinnerung hat. (Fernseh-Serien-Köche kann man vergessen.) Soffi Schweighofer ist eine temperamentvolle Tochter, Eva Christine Binder eine dämonische „rrrrrrussische“ Diva.

Alles paletti, nur ein bisschen zu laut und ein bisschen zu grob. Aber es gibt ein starkes Argument für den Abend: Die meisten Musikeinspielungen stammen von „dem“ Tenor überhaupt, und man kann sich seiner Stimme trotz blechener Tonanlage in vollem Genuß hingegeben (mein Gott, hat der gesungen!): Der größte Teil des (musikalischen) Reizes des Abends kam von Luciano Pavarotti. Dem echten.

Renate Wagner

 

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