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WIEN / Theater Spielraum: HASE, HASE

16.12.2023 | KRITIKEN, Theater

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WIEN / Theater  Spielraum:
HASE, HASE von Coline Serreau
Eine Produktion der Schauspiel-Akademie Ott
Premiere: 14. Dezember 2023,
besicht wurde die zweite Vorstellung am 15. Dezember 2023 

Es ist auch schon wieder knapp 40 Jahre her, dass „Lapin Lapin“ 1986 in Paris zum Überraschungserfolg wurde. Die Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Coline Serreau. die vor allem mit leichtfüßigen Unterhaltungsfilmen Erfolg hatte, schuf hier eine absurde Komödie, in der sie Prekariats-, Familien- und Anarchisten-Problematik eher krude mischte. Doch „Hase Hase“ gefiel damals, wenn es auch in Wien dann 1993 im Theater in der Josefstadt nicht gerade ein rauschender Erfolg wurde

Überraschenderweise begegnet man dem Stück nun wieder, Peter  Gruber hat es mit seiner Schauspielklasse der Akademie Ott inszeniert und im Theater Spielraum auf eine ganz professionelle Bühne gestellt. Das Stück ist mit den Jahren nicht besser geworden, aber was man Gutes herausholen kann, ist Gruber gelungen, wobei er allerdings der heutigen Zeit nicht nur mit den Smartphones der Darsteller Rechnung getragen hat.

Er hat auch textlich so manches zu uns hergeholt, hat aus einem Sohn einen idealistisch-politischen Hacker gemacht, der die Macht der Banken brechen will, aus einem kriminellen Sohn eine lesbische Tochter, die sich am Rande der Legalität für Flüchtlinge einsetzt, und spielt auch (in einer „Kopftuchszene“) auf die gegenwärtige Muslim-Problematik an. Also ziemlich von heute.

Auch möchte Gruber wohl nicht so recht glauben, dass der jüngste Sohn der Familie Hase (der auch „Hase“ als Vornamen trägt und neben seiner Mutter der zweite Held des Abends ist) wirklich ein „Außerirdischer“ ist – wohl eher ein phantasiebegabter Junge. Bis die Autorin am Ende zeigt, dass sie es mit der irrealen Wendung ernst meint (es war das Zeitalter von „E.T.“ und der Faszination an diesem Thema) – so wie sie, immer der Schwachpunkt des Stücks, in einer wilden politischen Terrorszene die Familie aufbrechen lässt, einen Sohn zu retten, was dann in seltsame Theaterharmonie überfließt…

Aber die Familie ist es, um die es geht, vor allem  um Mutter Hase, die alle mit unerschütterlicher Kraft und Liebe (auch wenn sie immer wieder loskeift) zusammen hält. Da ist der erfolglose Ehemann (San Trohar), der seinen Job verloren hat, so dass die Gerichtsvollzieher immer an die Türe klopfen. Der scheinbar brave älteste Sohn Bebert (Manuel Hagemayer), der sich als gar nicht so brav entpuppt.  Anfangs sind sie nur zu viert im engen Raum mit wenig Geld, Vater, Mutter, ältester und jüngster Sohn Hase Hase, der am Klo mit dem Weltall kommuniziert. Nach und nach stolpern drei Töchter (Nelly Ebert,  Michelle Friesacher und Leonie Letonia, drei definitiv anstrengende Wesen) bei den Eltern herein und wollen da leben, und sie werden aufgenommen, ebenso wie der „Ex“ der einen (Damir Smajic). Und der großherzige Anstand von Mutter Hase endet auch nicht, als eine einsame Nachbarin (Celina Leonardelli) ebenfalls um Obdach bittet. Darum geht es, um diese Solidarität, die vor allem die Mutter vorlebt.

Diese Rolle, die Coline Serreau bei der Uraufführung selbst spielte, ist in dieser Aufführung bei Julia Herzog in bemerkenswert kompetenten Händen, eine junge Frau, der man die Figur dennoch jede Minute glaubt, die (anders als die drei Töchter, die noch lernen müssen, mit ihren Mitteln gezügelt umzugehen) nie zu viel tut, aber kolossale innere Stärke verströmt.

Und als der titelgebende Hase Hase bringt Gregor Brandstätter alles mit, was die Rolle braucht, Bubenhaftigkeit, Eifer, Neugier auf die Welt und die Menschen, liebenswürdiges Flair. Es gibt Schauspieler, denen man Karrieren (existiert so etwas noch? Sagen wir: ihren Weg beim Theater) voraussagen möchte.

Ein gab ein volles Haus, und das Publikum stieß sich nicht an der albernen Schlußwendung, sondern hatte, wie der heftige Applaus zeigte, die ganze Familie Hase unzweifelhaft ins Herz geschlossen.

Renate Wagner

 

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