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WIEN / Theater Scala: DIE KRISE

Am Rande des Nervenzusammenbruchs

19.02.2025 | KRITIKEN, Theater

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Foto: © Bettina Frenzel

WIEN / Theater Scala: 
DIE KRISE von Coline Serreau
Deutsche Erstaufführung
Premiere: 15. Februar 2025,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 18. Februar 2025 

Am Rande des Nervenzusammenbruchs

Man kennt die schrillen, auf Pointen gearbeiteten französischen Filme, die vorgeben, in heiterer Weise eigentlich ernste Themen zu verarbeiten (man denke an „Monsieur Claude“). Auch „La Crise“ von Autorin und Regisseurin Coline Serreau war 1992 ein solcher, und da Madame Serreau mit dem Theater ein zweites Standbein hat (ihre schräge Komödie „Hase, Hase“ wurde viel gespielt), hat sie auch ein Theaterstück daraus gemacht, das im Theater Scala nun zur deutschsprachigen Erstaufführung kam.

Sieht man, wie die „Krise“ ein Problem nach dem anderen des gehobenen Bürgertums auffädelt und die Zentralfigur Victor, einst – wie er meinte – glücklich verheiratet und ein erfolgreicher Anwalt in all den Katastrophen die ihm passieren, mit einem typischen Underdog der Gesellschaft zusammen bringt (der gewissermaßen unschuldsvolle Sandler Michou, der sich an seine Fersen heftet, steht nämlich für zumindest ein wenig menschliche Anteilnahme), ist dies schon eine geschickte Spekulation – was können die da Oben vielleicht von denen da Unten lernen?

Im übrigen prügelt das Schicksal Schlag auf Schlag auf Victor ein. Eines Morgens hat ihn seine Frau verlassen – seine Mutter und die Kinder fahren auf Urlaub, für Anteilnahme ist da keine Zeit. Im Büro erwartet den Erfolgreichen seine Kündigung – und die Kollegen zucken  die Achseln, so ist es halt, das Geschäftsleben. Anteilnahme gibt es auch nicht, als er sich bei seinem Arzt-Freund ausweinen will, denn dieser hat seine eigenen Probleme – seit er beschlossen hat, sich seinen Patienten wirklich zu widmen, kollabiert die einst so lukrative Praxis finanziell, eigene Sorgen, sorry.

Eine zentrale Szene ist jene, als Victor mit seiner Schwester zum Abendessen zu einem Politiker kommt – ein Essen, das nicht stattfindet, weil der klimakämpferische Nachwuchs des Herren alle Leckerbissen in den Abfall geworfen hat. Total umweltschädlich! Und natürlich muss die Rede auf den Rassismus kommen, wobei man den Text erkennbar ganz auf österreichische Argumente von heute zugeschnitten hat (wobei man bezweifeln möchte, dass es Migranten in Frankreich so gut geht wie in Wien…). Später stellt sich (von Seiten der Autorin sozusagen beschwichtigend) heraus, dass die verbale Fremdenfeindlichkeit ganz außen vor bleibt, wenn es um die lieben arabischen Nachbarn geht, mit denen man in bestem Einverständnis lebt…

Nach der Pause geht dem Stück die Luft aus, beginnt dramaturgisch zu eiern, Victors Beziehung zu Michou, der mehr oder minder am Rande mitgelaufen ist, intensiviert sich, indem er ihn zu einem nützlichen, arbeitenden  Mitglied der Gesellschaft erziehen will (mit auf der Hand liegenden Pointen) – bevor Victor dann am Ende ja doch seine Frau wieder bekommt. Der Nachgeschmack ist dennoch nicht völlig befriedigend.

Glücklicherweise liefert die Scala in einem geschickten Drehbühnen-Bild (vor runden Wänden nur die nötigsten Versatzstücke – Andrea Bernd) in der Regie von Babett Arens eine sehr ansehnliche Aufführung. Alexander Lutz hat sich fast unkenntlich in einen älteren Mann mit schleppendem Ton verwandelt und zeichnet wirksam das Außenseiterschicksal,  das sich mit jenem von Victor (sehr sympathisch und glücklicherweise nicht so aufgedreht, wie es möglich gewesen wäre: Boris Popovic) zu einem gerade in französischen Komödien so geliebten Buddy-Duo zusammen fügt.

Dass die großteils sehr bürgerlichen (und ein bißchen mehr) Herrschaften sich so gut wie alle am Rande des Nervenzusammenbruchs finden, dürfen vor allem die Damen zeigen, die in vielen Verwandlungen hefig über die Bühne toben – Nina-Marie Mayer, Sophie Prusa, Christina Saginth und  Selina Ströbele; während die Herren Felix Frank, Anselm Lipgens und Hendrik Winkler,  auch sie jeweils in zahlreichen  Rollen, sich mit Ausnahme einiger parodistischer Ausreißer (Männerschönheit vom Chirurgen…) etwas mehr zurück halten dürfen.

Das alles läuft so weit mit Brio zur Unterhaltung des Publikums ab.

Renate Wagner

 

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