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WIEN/ Theater ohne Furcht und Tadel: VERWIRRUNGEN ODER JULCHEN IN KÖNIGSBERG

26.02.2012 | KRITIKEN, Oper

WIEN/ Theater ohne Furcht und Tadel: VERWIRRUNGEN oder JULCHEN  IN KÖNIGSBERG  (J.M.R. Lenz / G. Büchner) – Premiere 23.2.2012

Dazu gehört Mut: Ein unbekanntes Stück eines unpopulären Autors an einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen Spielstätte zu produzieren.

Zwei Schauspieler und ein Musiker haben sich in einer Vorstellungsserie vom 23. bis 29. Februar  im Festsaal der Bezirksvorstehung 15 auf dieses
Wagnis eingelassen.
Der Anfang ist das Ende: Am Beginn und im Finale von „Julchen in Königsberg“, der jüngsten Produktion des wackeren THEATERS OHNE FURCHT UND TADEL, balanciert der Dramatiker Jakob Michael Reinhold Lenz wie ein gepeinigter Clown den Bühnenrand entlang, während sein Dichter-Kollege Georg Büchner die einsame Gratwanderung zwischen Wahn und Wirklichkeit kommentiert.

Dazwischen liegen zwei Spielstunden atemberaubender Komödientollheit, in denen das Schauspiel- und Regie-Duo SONJA GRAF und MARKUS HUMMEL, flankiert vom sonoren Kammerton des Cellisten KLAUS JOACHIM KELLER, die aberwitzig-absurde, himmelschreiend-komische und abgrundtief böse Handlung der Lenz Komödie „Die Buhlschwestern“ als Panoptikum der Leidenschaften entrollen.

Die beiden Akteure teilen sich sämtliche Rollen des Stückes, mit minimalen Veränderungen an Kostüm  und Maske werden maximale Wirkungen erzielt‘
Dabei reicht das weibliche Rollenspektrum von der berechnenden Erotik der professionellen Verführerin bis zum derb-resoluten Tonfall des „Mädchen für alles“‚
Auf der männlichen Personenskala gilt es, vom schwärmerischen Liebhaber über den tumben Provinz-Parvenü bis zum archetypisch aufbrausenden Alten sämtliche Nuancen durchzugehen.
SONJA GRAF und MARKUS HUMMEL gelingt dies alles  bravourös und in bewundernswerter Ebenbürtigkeit von Sprechdisziplin und Körpersprache. Sie liefern einander permanent zu, lassen den Spannungsfaden zwischen Bühne und Publikum nie abreißen und schlagen noch aus ihrer darstellerischen Gegensätzlichkeit vituose Funken: Hummel, der Erzkomödiant mit dem tragischen Unterton und Graf, die wahrhafte Tragödin mit den komödiantischen Obertönen‘
Am Ende, als alle Handlungsfäden entwirrt und alle Komödienknoten gelöst sind, brandet wohlverdienter Beifall auf.

Der Applaus gilt dem darstellerischen Können ebenso wie der intelligenten Stückbearbeitung und Regie, der wohldurchdachten Raumnutzung und der inspirierten Bühnenmusik (Komposition: Markus Hummel) – und wohl auch den Kulturverantwortlichen des 15. Bezirkes für ihren Mut, dieser außergewöhnlichen Theaterarbeit eine Heim- und Spielstätte zu geben‘

Fazit: Mutiges Theater ist möglich – aber nur OHNE FURCHT UND TADEL

Thomas Schmidt

 

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