Foto: Theater der Jugend
WIEN / Theater der Jugend im Theater im Zentrum:
SUPERGUTE TAGE ODER DIE SONDERBARE WELT DES CHRISTOPHER BOONE
nach Mark Haddon von Simon Stephens
Premiere: 26. April 2022
Jedes menschliche Gehirn ist anders, aber im allgemeinem bewegt man sich im Rahmen ähnlicher Eindrücke und Verhaltensweisen. Autisten hingegen sind von Natur aus „anders“, verstörend für die Umwelt, trotz gelegentlicher Insel-Begabungen wohl auch „behindert“ im Umgang mit der Mitwelt. Heutzutage, wo man niemanden mehr herabwürdigen will, zählen sie zu den „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“, und eines ist sicher: Autisten haben es schwer mit der Welt – und diese mit ihnen.
Genau das zeigt das Stück „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“, das der britische Dramatiker Simon Stephens nach dem im englischen Sprachraum berühmten Kinderbuch von Mark Haddon geschrieben hat. In Wien wurde das Werk 2014 im Volkstheater gespielt. Nun zeigt es das Theater der Jugend für ein Publikum ab 11 Jahren im Theater im Zentrum.
Christopher Boone ist also Autist, der in seiner eigenen Welt lebt. Von Zahlen versteht er mehr als von Menschen, jede körperliche Berührung kann einen Anfall auslösen, jede Abweichung von seinen strikten Vorstellungen irritiert ihn aufs höchste. Am Beispiel seines Vaters wird gezeigt, wie man sich mit vollkommener Hingabe auf einen solchen Sohn einlässt. Seine Mutter hingegen, die ihn auch sehr liebt, ist von seinem erratischen Benehmen überfordert. Sie verlässt die Familie – und der Vater sagt Christopher, sie sei gestorben.
Wie Christopher nun die Rätsel seines Lebens löst (ein toter Hund, die verschwundene Mutter), wobei er immer wieder über die Schatten seiner in ihm aufgerichteten Schranken springen muss, ist der Gegenstand des Stücks, das Regisseurin Carmen Schwarz stringent am Laufen hält, Reales und Surreales mischend (wie auch das Bühnenbild von Janna Keltsch es tut).
Und Hauptdarsteller Jasper Engelhardt mischt bohrende Fragen, die ihn quälen, mit Angst und Mut. Obwohl man selbst im Leben vermutlich mit seinem abweichendem Verhalten kaum umgehen könnte, wird er auf der Bühne zum Exempel eines Andersseins, das man nicht ausgrenzen sollte. Und am Ende verkündet er überzeugend die Absicht, sich nicht unterkriegen zu lassen… und als Mathematiker ein großer Wissenschaftler werden zu wollen.
Mit nur vier weiteren Darstellern, Frank Engelhardt (besonders berührend als Vater), Shirina Granmayeh, Shlomit Butbul und Rafael Wieser, die alle Personen (und gelegentlich auch Abstraktionen wie einen Bankomaten…) spielen, läuft der Abend überzeugend ab.
Das Stück ist mit seinen vielen Ausbrüchen hart und stellt an die Zuschauer durchaus schwierige Anforderungen. Aber die positive Schlußwendung ist so stark, dass die Hoffnung, alles erreichen zu können (so vage sie realistischerweise sein mag), alles überstrahlt. Stürmischer Beifall.
Renate Wagner