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WIEN / Theater der Jugend: PÜNKTCHEN UND ANTON

20.02.2024 | KRITIKEN, Theater

szenefotos
Foto: Theater der Jugend / Astrid Knie

WIEN / Theater der Jugend im Renaissancetheater: 
PÜNKTCHEN UND ANTON
nach dem Kinderbuch von Erich Kästner  
In einer Fassung von Nicole Claudia Weber und Sarah Caliciotti
Premiere: 20. Februar 2024 

Pünktchen und Anton. Emil und die Detektive. Das fliegende Klassenzimmer. Das doppelte Lottchen. Wie viele Jugendliche sind einst mit diesen Büchern aufgewachsen – und haben dabei, unwissentlich, „Moral“ gelernt. Denn ein Moralist war Erich Kästner (1899-1974) immer, den man später, etwa bei der Lektüre seines Romans „Fabian“ oder angesichts seiner  großartigen, scharfsinnigen Gedichte  als einen der großen deutschen Autoren kennen gelernt hat.

In einem Jahr, wo man Kant, Kafka und Karl Kraus mit Jahrestagen feiert, mag ein 50. Todestag unter den Tisch fallen, aber das ist wirklich nicht gerechtfertigt. Nun, das Theater der Jugend in Wien gedenkt des Autors mit einer Dramatisierung von „Pünktchen und Anton“ im Renaissancetheater. Ein Stück, das ins Heute zielt, weil Kästner in diesem 1931 erschienen Kinderbuch soziale Verhältnisse auf den Punkt gebracht hat. Vielleicht mischen sich heutzutage reiche Kinder mit armen Kindern nicht mehr so locker wie im Berlin der Dreißiger Jahre. Aber die Problematik ist dieselbe – und vielleicht haben die Reichen nach wie vor das Selbstbewusstsein von Pünktchen Pogge und die Armen die Bedrücktheit von Anton Gast .Weil die Verhältnisse eben doch so sind.

Die Fassung und Inszenierung von Nicole Claudia Weber ist zwiespältig. Sie streicht die für das Buch so wichtigen Bettelei-Szenen ganz, macht aus einem deutschen Kindermädchen eine flotte spanische Au-Pair-Biene, aus dem Fabrikantenvater von Pünktchen einen berühmten Dirigenten, aus der Mutter eine viel beschäftigte Geschäftsfrau. Frau Gast illustriert Kinderbücher,  und  zu dem Strizzi der Geschichte wird noch ein  Gangster erfunden, der ihn bedroht, und  eine fahrenden Eisdiele. Viele Veränderungen, die eigentlich nicht nötig wären, und dazu kommt noch die Anpassung der Geschichte ans Heute mit Laptop und Tablet – und die meisten Lacher im jugendlichen Publikum erntet die Versicherung der Köchin: „Aber bio!“

Interessant, dass so vieles des Originals in die Gegenwart katapultiert wurde, aber die Regisseurin vieles „altmodisch“ beließ, nicht nur die Sprache, auch das Verhalten, das vielfach äußerst künstlich wirkt. Aber je weiter die Aufführung fortschreitet, umso überzeugender wird sie, nicht zuletzt, weil es eine „gute“ Geschichte bleibt, die – das war immer Kästners Stärke – direkt alle guten Gefühle und Regungen der Rezipienten anspricht.

In einem geschickt verwandelbaren Bühnenbild von Daniel Sommergruber (Kostüme: Nina Holzapfel) ist man schnell wechselnd auf der Straße, im luxuriösen Heim der Pogges (mit einem Rothko und einem Picasso an der Wand), in der ärmlichen Wohnung von Anton Gast und seiner Mutter. Katharina Stadtmann als Pünktchen Pogge macht jede Menge Wirbel, der Anton des Jonas Graber ist stiller, randaliert nur, wenn man ihn in die Ecke treibt. Köchin Berta (Petra Strasser) ist die realistische, dabei klassisch komische Sympathieträgerin, das nunmehr spanische AuPair (Shirina Granmayeh) ist nicht ganz klar umrissen, das Elternpaar, das sich um Pünktchen eigentlich nicht kümmert (Ursula Anna Baumgartner und Frank Engelhardt) darf am Ende Einsicht und Reue zeigen, während Frau Gast (Claudia Waldherr) die für Kästner so essentielle Mutterliebe schlechthin verkörpert. Uwe Achilles, Stefan Rosenthal und Haris Ademovic ergänzen.

Das jugendliche Publikum bejubelte die Aufführung, in erster Linie sicherlich die Interpreten, aber ein bißchen wohl auch Erich Kästner…

Renate Wagner

 

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