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WIEN / Theater der Jugend: PETER PAN

23.05.2017 | KRITIKEN, Theater

Peter Pan mit Hook x
Fotos: Theater der Jugend / Rita Newman

WIEN / Theater der Jugend / Renaissancetheater:
PETER PAN von James Matthew Barrie
In einer Fassung für das Theater der Jugend von Clemens Pötsch
Premiere: 19. Mai 2017,
besucht wurde die Nachmittagsvorstellung am 22. Mai 2017

Wenn man bedenkt, dass der Glaube an Märchenwelten und Feen die Essenz von „Peter Pan“ des Schotten James Matthew Barrie (1860-1937) ist, dann hat Regisseur Michael Schachermaier im Theater der Jugend am Ziel vorbeigeschossen. Die Geschichte hat seit ihrem Theaterdebut 1904 die Buchfassung sowie eine Unzahl von Verfilmungen, neuen Dramatisierungen, Vermusicalisierungen erlebt, abgesehen von den Buchbearbeitungen, Comics, Zeichentrickwelt – und alles, was je poetisch daran war, ist in der Fassung von Clemens Pötsch, die nun im Renaissancetheater gezeigt wird, ganz unglaublich und ziemlich brutal „heutig“.

Da ist Peter Pan kein trotziger kleiner Junge, der dem unentrinnbaren Schicksal trotzt, erwachsen zu werden, und sich dazu nach „Nimmerland“ (das eigentlich ein Kinderland ist) zurückzieht – da steht er vielmehr als ziemlich erwachsene Rotzpiepe auf der Bühne, im Military Look und mit Dschungel-Tarn-Bemalung sowie verklebten Rastazöpfen: Wenn der, Gott bewahre, beim Fenster hereingeflogen käme, würde man wohl schreiend die Flucht ergreifen und nicht, wie Wendy Darling, das brave englische Bürgermädchen, in Entzücken ausbrechen…

Und seine Bande der „verlorenen Jungs“ (die auch hier noch immer „Mutter“-sentimental sind, ist das doch ein Zentralmotiv der Geschichte) passt in ihrer Abgerissenheit zu ihm, dem sie wie einem Fußball-Idol skandieren. Die Umsetzung ins Heutige geht bis in die Details, bis zum Tablet, das Wendys Bruder Michael nicht aus der Hand lässt. Wie soll da das Märchen noch funktionieren?

Überhaupt tut sich das Theater mit einer Geschichte, in der grundsätzlich zwischen den Welten hin und her „geflogen“ werden muss und Fee Tinkerbell ein kleines Zaubergeschöpf ist, schwer. Regisseur Schachermaier setzt auch hier auf Vergröberung: Besonders die Darstellung der kleinen Fee durch eine schwarz gekleidete, klobige Puppenspielerin (Katharina Halus), die eine kreischende Handpuppe führt, entbehrt jeglichen Zaubers. Nimmt man es genau, ist dem Abend nur das praktikable Bühnenbild (Judith Leikauf und Karl Fehringer) und die Musikdramaturgie (da kein Name genannt wird, stammt sie wohl vom Regisseur) einigermaßen gelungen.

Die Familie Darling – Wendy und ihr Bruder Michael sowie der Vater, mehr ist nicht geblieben – stellt phantasievolle Kinder gegen einen nüchternen Vater, nur dass man Lisa-Caroline Nemec (die auch eine recht schlechte Sprecherin ist) die ganze kindliche Überschwänglichkeit und Bereitschaft, in Traum- und Märchenwelten einzugehen, nicht eine Minute glaubt. Kristóf Gellén als ihr Bruder ist überzeugend der problembeladene Einzelgänger, aber er kann sich nicht einmal in seiner großen Szene (wo er sich entscheiden muss, ob er bei den „Bösen“ mitmacht), richtig nachdrücklich in Szene setzen.

Da kommt Frank Engelhardt als lautstarker Papa, der am Handy Japanisch redet, noch am ehesten zur Geltung – zumal, wenn er sich in Käpt’n Hook verwandelt, wenngleich er auch diesen vor allem in jenem grob-vordergründigen Polterton spielen muss, der den ganzen Abend auszeichnet. Da ist noch Uwe Achilles als sein Piraten-Untertan das komischeste Element des Abends.

Petr Pan  Er x

Und Peter Pan? Jakob Elsenwenger ist ein Verwandler, man würde in seinem ruppigen, aber doch seelenverletzten Peter Pan nie den mörderischen Tom Ripley erkennen, den er erst kürzlich im Theater der Jugend gespielt hat. Aber letztendlich ist auch er, wie alle, ein Stück Regie. Und wenn das bedeuten soll, dass der Zeitgeist definitiv bei „Peter Pan“ angekommen ist und das zauberhafte Märchen in unserer Welt nichts mehr bedeutet… dann wäre das sehr, sehr schade.

Renate Wagner

 

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