WIEN / Theater der Jugend / Theater im Zentrum: :
PARZIVAL
nach Wolfram von Eschenbach
von Michael Schachermaier
Uraufführung
Premiere: 23. April 2024
Ein „reiner Tor“ wird erwachsen
„Parsifal“ ist ein alter Bekannter, vor allem bei Opernfreunden und hier wiederum bei Wagnerianern. Aber Richard Wagner hat in seiner letzten Oper vor allem den Aspekt der Gralssuche und Heilsfindung behandelt – die Geschichte, die vom 13. Jahrhundert an immer wieder erzählt wurde, ist unendlich reichhaltiger. Sie verortet den Helden von Wolfram von Eschenbachs Versroman nicht nur in der Welt von König Artus, sondern erzählt auch ausführlich seine Jugend und zahllose Abenteuer und Begegnungen.
Einen Umriß der Figur des hier original „Parzival“ genannten jungen Helden bietet für das Theater der Jugend die Bearbeitung von Michael Schachermaier, der schon manches Stück Literatur (zuletzt „Moby Dick“) in Personalunion als Autor und Regisseur auf die Bühne gebracht hat und der mit diesen Literatur-Adaptierungen immer sehr geschickt umgeht.
So auch hier, wo er mit nur fünf Darstellern auskommt – rund um den Titelhelden sind zwei Damen und zwei Herren damit beschäftigt, alle anfallenden Rollen zu spielen und auch zu kommentieren. Das dient der Klarheit der Entwicklungsgeschichte vom ungewollten „Muttersöhnchen“ (festgehalten von der über die Maßen liebenden Herzeloide), der einige Mühe hat, vom reinen Tor zum Gralskönig zu werden – ein enormer Lernprozeß, und das nur innerhalb von eindreiviertel Theaterstunden.
Dass diese klassische „Coming of Age“-Geschichte im Theater der Jugend für ein ziemlich junges Publikum ab 11 Jahren gedacht ist, bewog den Regisseur, es vor allem zu Beginn kindergerecht turbulent und unernst zu geben, um dann erst später dem Ernst und der Magie des Geschehens zu huldigen. Dabei trug die Ausstattung von Dominique Wiesbauer viel zum Erfolg der Produktion bei. Selten hat man Video-Kreationen gesehen, die so wenig Selbstzweck waren und so sehr Bestandteil der Handlung wurden, dem Stück Mystik einerseits, Tiefenschärfe andererseits verschafften. Auch die Musik (die Richard Wagner verschmähte) trug viel zur Stimmung bei.
Jonas Graber, vielleicht eine Kleinigkeit zu alt wirkend für den Knaben, der er doch sein muss, wächst stürmisch in die Welt der Erwachsenen hinein, blödelt zu Beginn und ist am Ende ergreifend ernsthaft. Von ihren vielen Rollen prunkt Elisa Seydel vor allem als Parzivals Mutter, während Sascia Ronzoni eine so attraktive, intensive Kundry gibt, dass man sie optisch glatt in die Wagner-Oper stellen könnte.
Frank Engelhardt ist am besten als strenger, weiser Gurnemanz und Uwe Achilles als sehnsüchtig auf seine Erlösung wartender Amfortas (da ist man dann ganz bei Wagner).
Das großteils junge Publikum zeigte sich tief beeindruckt und klatschte stürmisch.
Renate Wagner