WIEN / Theater der Jugend:
MIRANDA IM SPIEGELLAND von Alan Ayckbourn
Premiere: 14. Februar 2025,
besucht wurde die Vorstellung am 18. Februar 2025
Typisch englischer Nonsense-Spaß
Zuerst war es der Autor, der interessierte. Denn dass Alan Ayckbourn, einer der fähigsten und fleißigsten englischen Dramatiker, auch Kinderstücke geschrieben hat, war einem gar nicht richtig bewusst. Dabei hat gerade das Wiener Theater der Jugend „Miranda im Spiegelland“ von 2004 schon 2006 zur deutschsprachigen Erstaufführung gebracht. Nun wieder in Wien, erweist sich das Stück im Renaissancetheater als überaus sympathische Verwandte von „Alice im Wunderland“ (die ja auch durch Spiegel geht), als typisch englischer Nonsense-Spaß und letztendlich doch als Kinderstück, das den Kleinen ein paar Erkenntnisse (und damit eine „Moral“) mitgibt.
Die erste Botschaft geht an die Eltern. Miranda ist nämlich nur deshalb ein so unausstehliches kleines Mädchen, weil Mama und Papa in ihrem Entzücken über das Töchterchen ihr einreden, sie sei die schönste, klügste, begabteste von allen, was sie natürlich gerne glaubt. Und ihre Eitelkeit in terroristischer Überheblichkeit gegen ihre Umwelt (und auch gegen ihre arme kleine Freundin Tina) auslebt. Als Miranda einen Spiegel bekommt, kann sie gar nicht genug hinein sehen…
Nun hat das Stück von Anfang an einen Erzähler, der es gewissermaßen „episch“ macht, aber bis hierher könnte eine ganz normale Geschichte erzählt worden sein. Bis Mirandas Spiegelbild dieses unmögliche Mädchen, das sich da vor ihm verbiegt, satt hat und verschwindet. Das Spiegelbild eines Jungen nimmt ihren Platz ein – und Miranda muss erkennen, dass sie ihr anderes Spiegel-Ich nur wieder bekommen kann, wenn sie selbst durch den Spiegel ins Spiegelland geht. Dass das auch eine Schule des besseren Benehmens wird, versteht sich…
Im Spiegelland, wo bekanntlich alles verkehr ist (rechts ist links, wie man weiß), wird über weite Strecken auch „verkehrt“ gesprochen, und das ist dann der Nonsense-Jux des Stücks, den die Inszenierung vielleicht ein wenig zu sehr ausbreitet, das kann ermüden. Aber der Weg durch andere Spiegelbilder anderer Leute bis zur Spiegelkönigin, die dann (unter der Bedingung, die seelisch verletzte Freundin zu versöhnen) für ein Happyend sorgt, ist von entschiedenem Märchenreiz und Spaß.
Regisseurin Nicole Claudia Weber hat das in einem halb abstrakten Bühnenbild von Judith Leikauf und Karl Fehringer (Kostüme: Elena Kreuzberger) sehr geschickt in den Griff bekommen. Wahrscheinlich verdankt die Aufführung am meisten dem Erzähler von Jonas Graber, der mit so viel Verve auf die Bühne springt, als spielte er den Conferencier in „Cabaret“. Er mischt das kindliche Publikum auf, das begeistert mitgeht und sich voll ins Geschehen einbezogen fühlen kann.
Charlotte Zorell hat gar keine Scheu, Miranda anfangs als richtig ekelhaften Fratzen zu zeigen, was dann ihre (ohnedies nicht gänzliche) „Läuterung“ noch netter macht. Als ihre Freundin Tina sprang Sacia Ronzoni für die krankheitsgeschüttelte Erstbesetzung ein, als hätte sie nie etwas andere getan als dieses verschreckte Mädchen zu spielen. Nur zwei weitere Damen (Pia Baresch, besonders hoheitsvoll als Spiegelkönigin, und Christine Garbe) sowie die Herren Fabian Cabak. Frank Engelhardt und Uwe Achilles teilten sich die übrigen Rollen.
Die Kinder waren begeistert. Ob sie jetzt besonders neugierig in den Spiegel schauen – oder gelernt haben, dass man nicht eitel, eingebildet und ungezogen sein soll?
Renate Wagner