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WIEN / Theater der Jugend: EMIL UND DIE DETEKTIVE

Parole Emil – Botschaft aus besseren Zeiten

08.10.2024 | KRITIKEN, Theater
theater der jugend / emil und die detektive renaissancetheater

Theater der Jugend / Emil und die Detektive – Renaissancetheater Foto:  _c_Astrid_Knie

WIEN / Theater der Jugend / Renaissancetheater:: 
EMIL UND DIE DETEKTIVE von Erich Kästner
In einer Fassung von Sarah Caliciotti und Frank Panhans
Premiere: 8. Oktober 2024 

Parole Emil – Botschaft aus besseren Zeiten

Niemand kann behaupten, dass Erich Kästner (1899-1974) in glücklichen und friedlichen Zeiten gelebt hätte. Zwei Weltkriege, das Untertauchen vor den Nationalsozialisten, eine harte Nachkriegszeit. Er hätte jeden Grund gehabt, die Welt hässlich zu zeigen. Er zeigte sie schön, schrieb über Anständigkeit, Werte, echte Gefühle. Vor allem seine Kinderbücher sind Welterfolge geworden und erscheinen heute fast wie Wunderwerke. „Emil und die Detektive“, 1929 publiziert, ist einer dieser Romane.

Bei Erich Kästner sind die Kinder grundanständig, die Eltern (vor allem die Mütter) der Inbegriff von Liebe und Zuneigung. Und die „Bösen“ werden von den Kindern gejagt und gestellt. Die Loyalität der Racker ist nicht zu brechen, sie streiten vielleicht ein wenig, aber sie mobben, verletzen oder bekämpfen sich nicht (und ein Messer hat auch keiner in der Hose). Man fühlt sich bei Kästner nostalgisch wie unter – Menschen, während heute, wo man in einer Blase diskriminierender Videos und ekliger Haßpostings zu leben scheint, einem die Menschen nur wie ein Fortsatz der Smartphones vorkommen… Da scheint dieser Erich Kästner von besseren Zeiten (und Menschen) zu erzählen.

Sehr von „gestern“ also? Doch das Theater der Jugend setzt ihn immer wieder auf den Spielplan – und hat immer wieder Riesenerfolg damit. Obwohl es zu „Emil und die Detektive“ vom Autor selbst eine Theaterversion gibt, haben hier für die Aufführung im Renaissancetheater Regisseur Frank Panhans und Dramaturgin Sarah Caliciotti eine geschickte Fassung erstellt. Dass Erich Kästner als Erzähler der Geschichte fungiert, wäre  auch dann legitim, hätte er sich nicht ohnedies selbst in das Buch hinein geschrieben…

Emil Tischbein, der halb liebendes, braves Muttersöhnchen ist (wie sein Autor), halb einfach der typische Lausejunge (wie sein Autor…), reist von seiner Kleinstadt in die brodelnde Großstadt Berlin der Zwanziger Jahre, um seine Oma zu besuchen. Als ein professioneller Gauner ihm im Zug die 140 Mark stiehlt, die er der Großmutter bringen sollte, setzt er sich auf dessen Spuren – und findet in Berlin eine Handvoll „Gehilfen“, die mit ihm die Detektivarbeit übernehmen, „Parole Emil“ wird professionell ausgegeben…

Das ist, nehmt alles nur in allem, besonders durch das sich überschlagende Happyend so etwas wie ein Märchen, aber auf der Bühne des Theaters der Jugend wirkt es wie eine handfeste Geschichte um echte Menschen.

Das hat sehr damit zu tun, dass Regisseur Frank Panhans in Ulv Jakobsen den idealen Ausstatter fand, der die Bühne geradezu rasant verwandelte und mit vielen Videoeffekten Großstadt und Eisenbahnszenen ungemein lebendig werden ließ. Auch legt der Abend das richtige Tempo vor, und letztendlich balanciert er die einzelnen Figuren (Kinder wie Erwachsene) ideal aus. Das Stück ist für Kinder ab 6, wird die Kleinen mit Hilfe klarer Handlungsführung nicht überfordern, aber die größeren prächtig unterhalten (und die Lehre, die Kästner immer bereit hat, nämlich dass Kinder zusammen halten sollen, vielleicht neu überdenken).

Jonas Graber zeigt schön, dass Emil Tischbein zwar einerseits ein braver Junge und wohl auch ein bißchen ein Landei ist, aber fest entschlossen, Unrecht nicht hinzunehmen und vor allem seine Mutter (von der er das Geld bekommen hat) nicht bestehlen zu lassen.

Prächtig zwei „ältere“ Herren, die aus dem Ensemble icht weg zu denken sind: Uwe Achilles ist der humorvolle Herr Erich Kästner, schlüpft aber u.a. auch in das Gewand von Emils Großmutter (mit ihrem Lieblingsspruch: „Die Sache gefällt mir nicht. Die Sache gefällt mir nicht“)

Und Frank Engelhardt ist ergötzlich der Dieb in Großmannspose, um den sich die Schlinge immer enger zieht.

Alle anderen haben viele Rollen, wobei immer eine die beste für sie ist – für Sophie Aujesky Emils Mutter, für Tara Michelsen Emils berlinerisch schnauzige Cousine Pony Hütchen, für Benita Martins das „Professorin“ genannte Mädchen in der Detektivgruppe, Marko Kerezović, Stefan Rosenthal, Konstantin Mues Bœuf und Nikolaus Lessky sind die übrigens Jungs.

Dass eine Geschichte von gestern Kinder von heute voll und ganz erreichen kann – hier hat man es erlebt. Frenetischer Jubel für einen voll und ganz gelungenen Abend.

Renate Wagner

 

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