WIEN / Theater der Jugend / Renaissancetheater:
DIE SCHÖNE UND DAS BIEST von Henry Mason
Uraufführung
Premiere: 28. Mai 2024
Anders als die anderen
„Die Schöne und das Biest“ hat man oft gesehen, von der legendären Verfilmung des Jean Cocteau über einen Zeichentrickfilm, Realverfilmungen, Musicals. Jede Version ist ein bißchen anders, und das originale französische Volksmärchen kennt kaum jemand. Mit einer solchen Vorlage kann man mehr oder minder machen was man will, und das hat Theatermacher Henry Mason für die Aufführung des Theaters der Jugend getan. Seine Fassung des Werks ist entschieden anders als die anderen.
Er holt die Geschichte von Belle und dem „Biest“ in eine vage Gegenwart, was dem Märchen nicht ganz gut tut. Da sieht man einen modernen Geschäftsmann, der mit drei halb erwachsenen Töchtern allein ist, weil seine unternehmungslustige Gattin Blumen in aller Welt sucht. Der Papa verliert sein Vermögen und zieht mit den Töchtern von Paris aufs Land, wo er noch ein Bauernhaus besitzt. Die beiden älteren Töchter, Fleur und Florence, sind wahre Zicken und verhalten sich gegen die vernünftige junge Belle wie die bösen Schwestern gegen Aschenbrödel. Dass plötzlich ein Schloß auftaucht, das von einem „Biest“ bewohnt wird, bricht als nicht ganz glaubhafte Märchen-Magie in die Realität ein… aber das jugendliche Publikum (der Abend ist auch schon für die Allerjüngsten ab 6 Jahren gedacht) hat die dramaturgischen Stolpersteine offenbar nicht empfunden.
Denn Henry Mason hat als sein eigener Regisseur eine wunderhübsche Theateraufführung gezaubert, mit einer gewissermaßen „schwebenden“ Ausstattung (Bühnenbild: Rebekah Wild, Kostüme: Anna Katharina Jaritz), schwungvoll „durchchoreographiert“ und mit viel Musik stimmungsvoll bestückt. Und wenn ein Darsteller als weißes Pferd auf einem hohen Rad daherkommt, ist das Entzücken allgemein. Wer fragt da noch nach tieferer Logik?
Sieben Darsteller spielen „alle“ Rollen, nur Belle ist einzig und allein Belle, und Shirina Granmayeh macht das sehr klug und sympathisch. Jeder der anderen Interpreten hat eine zentrale Rolle – Valentin Späth als Biest, der am Ende kein Prinz ist, sondern nur ein junger Mann zum Heiraten, Stefan Rosenthal als sehr lustiges Wunderpferd, Daniel Große Boymann als geplagter Vater. Benita Martins und Violetta Zupančič als böse Schwestern müssen leider permanent kreischend übertreiben, während Maria Fliri neben einer originellen Mutter noch ein paar undurchsichtige Figuren verkörpern muss.
Die „Moral“ von der Geschichte bezieht sich auf das Zusammenleben in Familien und unter Fremden und ebenso auf die Selbständigkeit junger Frauen in ihren Urteilen und Handlungen – was man halt schon den Kleinsten als Verhaltensmaßstäbe mitgibt. Vor allem aber ist es Theaterzauber, der hier herrscht.
Renate Wagner