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WIEN / Theater der Jugend: DAS GROSSE SHAKESPEARE-ABENTEUER

14.10.2020 | KRITIKEN, Theater

Foto Rita Newman

WIEN / Theater der Jugend im Renaissancetheater:
DAS GROSSE SHAKESPEARE-ABENTEUER von Thomas Birkmeir
Premiere: 13. Oktober 2020, nachmittags

Direktoren an Wiener Häusern spielen und inszenieren, aber sie dürfen auch schreiben, wenn sie es so gut können wie Thmas Birkmeir, der an „seinem“ Theater der Jugend nun „Das große Shakespeare-Abenteuer“ heraus brachte – wobei er einen anderen Regisseur mit der Realisierung betraute. Die Produktion ist für Kinder ab 6 Jahren gedacht – und für die Kleinsten eigentlich verschenkt. Denn den wirklichen Spaß, die verständnisinnige Freude daran hat nur jener, der sich in der Welt Shakespeares auskennt und auch immer weiß, was und warum etwas zitiert wird … Andererseits können Kleinkinder einfach ihren Spaß an der Geschichte haben, die zwischen Märchen und Fantasy angesiedelt ist – und vielleicht werden sie sich später, wenn sie einmal tatsächlich den „Sommernachtstraum“ sehen, daran erinnern: Den Puck, den kenn’ ich doch!

Birkmeir erzählt die Geschichte des kleinen Will Shakespeare, der zum Dichter wird, eingebettet ein wenig in die Historie und stark in seine Stücke (wobei er mit fünfen auskommt). Die Rahmenhandlung ist aus dem „Sommernachtstraum“ geborgt, wo Oberon und Titania ja bekanntlich um einen kleinen Jungen streiten. In diesem Fall ist es Will in seiner Wiege, dem Titania mit ihren Feenkräften besondere Eigenschaften (vor allem jene des Erfindens, des Dichtens, der Empathie) mitgibt. Während Oberon befürchtet, wenn dieser Will einmal ihre Geschichte niederschreiben wird, dann entzaubert er sie am Ende. Hat er nicht, wie wir wissen.

Foto: Rita Newman

Will möchte eigentlich in die Welt der Schauspieler von London, was ihm kurzfristig gelingt (da gibt es einiges Komische), aber wenn man einen ärgerlichen Elfenkönig im Nacken hat, kann man leicht aus der Realität katapultiert werden. Als ständigen Begleiter bekommt der Junge Will den Kobold Puck mit auf den Weg, sie sind ein bisschen mit der Totengräber-Szene befasst („Poor Yorick“), sie geraten auf Prosperos Insel, wo sich Miranda in Will verliebt, Caliban den Puck belästigt und Prospero versucht, seine Zaubergaben gegen jene von Oberon einzusetzen…

Auf Umweg über die drei Macbeth-Hexen begegnen sie noch König Lear, und schließlich endet das Ganze in absolut höchster Poesie, wobei Titania (die ununterbrochen mit dem Gatten gezankt und ihm seine Lieblosigkeit und den brutalen Machterhalt vorgeworfen hat) sich schließlich mit Oberon in gegenseitiger Liebe trifft. William darf schreiben, Puck (der so an ihm hängt, dass fast eine schwule Geschichte angedeutet scheint) wird ihn lebenslang begleiten…

Das Ganze ist wunderhübsch und besonders gelungen, weil Regisseur Felix Metzner den berühmten körpersprachlichen Weg beschreitet, den Birkmeir selbst oder Henry Mason so oft erfolgreich angewendet haben – die Dekorationen (Andreas Lungenschmid) sind stark den Video-Effekten verpflichtet, die Kostüme (Andrea Bernd) ein Festival an Einfallsreichtum und die Darsteller allesamt Bündel an Energie.

Wenn sie nicht, wie Hauptdarsteller Marius Zernatto als Will auf Köpfchen, Wachheit und Seele setzen. Ein lauter, mauliger und dabei so herzenslieber Puck ist Stefan Rosenthal. Jürgen Heigl als Oberon hat wahre Wut-Power, der Rita Radinger als Titania elegant weibliche Entschlossenheit entgegen setzt. Viele Rollen für alle anderen, Victoria Hauer (besonders stark als Miranda), Benedikt Paulun (ein trampeliger Caliban), Rafael Schuchter (ein bemüht zaubernder Prospero), Uwe Achilles (ein verwirrter König Lear), und bis auf die vier Hauptrollen spielen sowieso alle alles.

Es ist ein Abend, der Theaterverstand mit dem Mut zum Gefühl, zu großen Emotionen (wie Freundschaft und Liebe) hat. Und wenn er am Ende jugendlichen Zuschauer Lust auf Shakespeare macht – ja, das wäre dann das Allerschönste.

Renate Wagner

 

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