
Theater der Jugend / BILOXI BLUES / Renaissancetheater / Rita Newman
WIEN / Theater der Jugend / Renaissancetheater:
BILOXI BLUES von Neil Simon
Premiere: 6. April 2024
Freue Dich aufs Militär…
In unserer liberalen Gesellschaft, die (noch) ohne Krieg leben darf, haben es junge Männer leicht, zum Militär „nein danke“ zu sagen und in einen Sozialdienst auszuweichen. Aber wer einmal unter Soldaten geschliffen wurde…. Neil Simon hat es erlebt wie Millionen andere, aber im Gegensatz zum leidenden Durchschnitts-Jungmann konnte er ein Theaterstück daraus machen.
An sich hatte das Theater der Jugend ein eigenes Jeanne d’Arc-Projekt geplant, das verschoben werden musste. Mit den „Biloxi Blues“ von Neil Simon hat man, ungeachtet dessen, dass das Stück knapp 50 Jahre alt ist, für die Premiere im Renaissancetheater einen idealen Ersatz für hier und heute gefunden. Denn ob in der Ukraine und in Rußland, ob in Israel, überall müssen heute junge Männer zum Militär und werden in Kriege geschickt. Simon schaffte in diesem Stück, das seine eigenen Erlebnisse nacherzählt, das Kunststück, die Verhältnisse im Militärcamp Biloxi in Mississippi mitten im Zweiten Weltkrieg nicht zu verharmlosen, aber das Ganze letztendlich doch in seinen unwiderstehlichen Humor zu tauchen.
Es geht um Eugene Morris Jerome, einen jungen Juden mit schriftstellerischen Ambitionen, der nicht gerne zum Militär geht, aber zumindest die Gelegenheit für Feldstudien des Alltags benützt. Er notiert in seinem Notizbuch alles, was er an den vier Kollegen seines Zugs und dem Vorgesetzten (der äußerlich ein genau so sadistischer „Schleifer“ ist, wie man ihn in zahlreichen US-Militär- und Soldatenfilmen kennt) beobachtet..
Erstaunlich, wie Simon mit Meisterhand schnell und doch nachdrücklich zahllose Probleme aufblättert – den allseitigen Rassismus (wir haben da zwei Juden, einen Schwarzen, einen „Pollaken“), die damals noch verbotenen homosexuellen Schwingungen, die Machtkämpfe der jungen Männer untereinander (wo die „Bullies“ auf die „Softies“ losgehen, wie immer im Leben), die Problematik, wie junge Männer mit den Zwängen des Gehorsams und sinnlosen Schikanen umgehen… da ist viel drin, das nicht verschleudert wird.
Freilich, wenn es um ganz Privates geht (wenn Eugene endlich seine Unschuld verlieren und sich „richtig“ verlieben will), dann herrscht das wohlige Lustspiel-Gefühl, das Neil Simon immer vermitteln konnte (und was ihn zum millionenschweren Welterfolgs-Autor machte).. Aber das ist nur das Sahnehäubchen auf einem Stück, das der „ernsten“ Seite des Autors zuzuordnen ist.
Das Theater der Jugend hat mit Regisseur Folke Braband einen besonders guten Griff getan, denn es ist eine besonders gute Inszenierung geworden, perfekt ausgewogen, ohne in irgendeine Richtung zu übertreiben (was gut bzw. mit schlechtem Effekt möglich wäre), Und die Besetzung ist bemerkenswert, besonders der Erzähler Eugene, eine absolute Meisterleistung des jungen Robin Jentys, der persönliche Unschuld, „dichterische“ Ambition und den Lernprozeß des Lebens vollendet wiedergibt. Und auch die zweite Judenfigur Arnold Epstein, an der Neil Simon über die leicht schrägen Überlegungen eines talmudisch geschulten Geistes lächelt – Ludwig Wendelin Weißenberger macht Sturheit so glaubhaft wie Intellekt.
Ganz interessant ist auch der Farbige Don Carney gezeichnet, ein junger Mann, der gelernt hat, sich zu ducken, damit er nicht dauernde Zielscheibe von Rassismus wird (und froh ist, wenn Leute sich statt dessen die Juden dafür aussuchen): Christian Dobler bietet in einem starken Körper ein tiefes Gemüt. Die beiden Rabauken der Fünfer-Gruppe (Clemens Ansorg als Joseph Wykowski und Curdin Caviezel als Roy Selridge) zeigen, dass es auch noch etwas hinter der rauen Schale gibt.
Möglicherweise ist die Figur des Sergeant Toomey etwas zu klischeehaft ausgefallen, aber Mathias Kopetzki bringt gewissermaßen den Erkenntniswert für jene Männer im Publikum mit, die unter solchen Leuten gelitten haben… Simone Kabst ist eine souveräne einschlägige Dame, die junge Herren ins Liebesleben einführt, und Sophia Greilhuber als Daisy hat den Zauber junger Frauen aus Hollywoodfilmen von einst.
Das jugendliche Publikum begrüßte den Abend geradezu enthusiastisch. Er ist vom Stück und von der Qualität der Aufführung her unbedingt auch für ein „erwachsenes“ Publikum nicht nur in Begleitung des Nachwuchses hoch geeignet.
Renate Wagner