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WIEN / Theater an der Wien: PETER GRIMES von Benjamin Britten

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Foto: Theater an der Wien / Monika Rittershaus

 

WIEN / Theater an der Wien: PETER GRIMES von Benjamin Britten

Premiere am 16. Oktober 2021

Neueinstudierung der Produktion von 2015

Peter Grimes ist eine Oper, die in Wien schon fast schon repertoireverdächtig erscheint. In kaum einer anderen Theatermetrople ist sie in den letzten beiden Jahrzehnten so häufig zu sehen gewesen wie in Wien. Dass in dieser Stadt ein Werk aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert ebenso enthusiastisch gefeiert wird wie etwa eine Walküre, lässt auch für weitere Werke aus dieser Zeit hoffen. Gottfried von Einems Dantons Tod beispielsweise hat den Sprung ins Repertoire der Staatsoper bereits geschafft.

Die erfolgreiche, preisgekrönte Inszenierung von Peter Grimes stammt von Christof Loy und war hierorts schon 2015 zu sehen. Für die nunmehrige Neueinstudierung – ein für eine Stagione-Bühne wie das Theater an der Wien ungewöhnlicher Akt – wurde die Produktion überarbeitet und bewegt sich diesmal noch mehr in homoerotischen Gefilden. Die Geschichte von Peter Grimes, nach der Versdichtung von George Crabbe,  wird nunmehr so verändert, dass der Waisenhausknabe John zu einer Hauptfigur aufgewertet und zudem als Strichjunge präsentiert wird, was freilich niemals die Absicht von Benjamin Britten gewesen sein dürfte und auch mit seiner feinnervigen Musik nicht korrespondiert. Auf eine Regie, der es gelingt, dieses feine, heikle Seelendrama werkgetreu zu inszenieren,wird man noch warten müssen. Allerding gelingt es Loy, einen faszinierenden Boy John zu schaffe, der sowohl Mann wie auch Weib für sich zu gewinnen weiß. Infolgedessen kommt es zu vielen Männerküssen,Verführungs-Szenen und zu einer beinahe Verwaltigung. All dies wird choreographisch tänzerisch höchst meisterhaft dargestellt.

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Eric Cutler in der Titelrolle als Peter Grimes. Foto: Karlheinz Schöberl

Peter Grimes ist in dieser Inszenierung Eric Cutler, ein kraftstrotzender Heldentenor, der stimmlich aufhorchen läßt, aber auch in den sensibleren Momenten der Partitur durchaus überzeugen kann. Er stellt eine starke Titelfigur dar, mit der sich das Publikum eventuell identifizieren kann.

Sein Freund Balstrode, der hier in die Fänge des Boy John gerät, wird von Andrew Foster-Williams glaubhaft bis ins abgründige Detail dargestellt. Ellen Oxford, die weibliche Hauptrolle, wird, wie bereits 2015, von Agneta Eichenholz eindrucksvoll interpretiert und hat noch an Profil gewonnen. Allerdings zeigt ihre Stimme jetzt auch Schärfe.

Die beiden kleineren, aber sehr wichtigen Frauenrollen, die Kneipenwirtin und Mrs. Sedley, werden von den Opernveteraninnen Hanna Schwarz und Rosalind Plowright großartig gegeben.

Auch die anderen Nebendarsteller sind erste Wahl und meist in den Chor eingebunden, der an diesem Abend zur Hauptatraktion avanciert.  Zum Teil wird er wie der Chor einer Griechischen Tragödie geführt, dann wiederum beeindruckt die schnelle Beweglichkeit sowie die Klangpracht des Arnold Schönberg-Chores.

Das RSO-Orchester unter Thomas Guggeis liefert eine perfekte Wiedergabe der prachtvoll ausgeleuchteten, komplexen Partitur.

Was man an diesem Abend vermisst? – Das Meer als wesentliches Element des Dramas. Sturm und Wind sind präsent. Das Meer bleibt im Hintergrund. Wie Goethe hat aber auch Britten geahnt: Des Menschen Seele gleicht dem Wasser.

Karlheinz Schöberl

 

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