WIEN/Theater an der Wien: „LE COMTE ORY“ 2. Aufführung 18. 2.2013
Es ist von einer außerordentlichen Entdeckung zu berichten, von Pretti Yende, die für Cecilia Bartoli als Comtesse Adèle einsprang. Vom ersten Ton an ist man von dieser Stimme geradezu gebannt. Sie besitzt ein sehr reizendes Timbre, ihre Stimme ist durch alle Lagen bruchlos geführt, ihr Volumen ist groß, man glaubt es, dass sie im großen Raum der New Yorker Met problemlos füllen konnte. Sie schaut gut aus, hat anmutige Bewegungen und das standesgemäße Auftreten einer Gräfin. Sie beherrscht alle Anforderungen des Belcanto in der Intonation, in den Tonsprüngen, den Spitzentönen, den Koloraturen und Trillern. Es scheint ihr all das leicht zu fallen. Ihre Arien und das wunderbare Terzett mit Ory und dem Pagen waren wunderschön. Von ihr kann man noch viel erwarten.
Wenn man Rossini-Tenören gerecht werden will, muss man das Ausnahme-Talent eines Flórez außeracht lassen. Lawrence Brownlee ist in Wien bereits bekannt und aufgetreten. Man hört von ihm eine qualitätsvolle Leistung. Er hat eine geläufige Gurgel und erfüllt alle Erfordernisse des Belcanto-Gesangs in recht schöner Weise. Sein Timbre ist farbig und angenehm. Dem Alter eines feurigen Jünglings ist er entwachsen und, wie in manchen Kritiken zu lesen war, ist er nicht unbedingt der Typ eines Sexbesessenen Lüstlings. Er singt an allen großen Häusern und war mehrmals in Pesaro engagiert.
Dessen Page Isolier ist in seine Cousine Adèle verliebt und wird, um Ory zu täuschen, als Frau verkleidet und wird prompt, statt der Gräfin, während des berühmten, wunderschönen Terzett „A la faveur“ von Ory befingert, bis der seinen Irrtum bemerkt. Regula Mühlemann singt ihre Partie mit leichter, schöner Stimme sehr gut.
Die weiteren Rollen waren durchwegs gut besetzt, so der Gouverneur/Erzieher des Grafen mit Peter Kálmán und Raimbaud, Kumpan Orys, mit Pietro Spagnoli. Beide haben je eine Arie zu singen. Dann gibt es noch Radegonde, Gesellschafterin der Gräfin, besetzt mit Liliana Nikiteanu.
Als Orchester war das Ensemle Matheus unter Jean-Christophe Spinosi engagiert. Dass diese sich vor allem barocker Musik widmen, war gelegentlich an einer gewissen barocken Akzentuierung zu merken. Man konnte dennoch sehr zufrieden sein.
Bei Regisseuren und Bühnenbildnern sind momentan die fünfziger und sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts große Mode. Es gäbe Schöneres, aber für viele Leute ist diese Zeit bereits historisch. Das Regisseur-Doppel Moshe Leiser und Patrice Caurier schuf eine drastische, aber nicht ungustiöse Regie. Die Bühne/Christian Fenouillat und die Kostüme/Agostino Cavalca entsprechen der erwähnten Zeit. Insgesamt war die Aufführung ein verdienter, ganz großer Erfolg und der ganz starke, begeisterte Beifall verdient.
Im Vergleich mit der neuen „Cenerentola“ der Staatsoper ist das ThadW weit, weit voraus. Nach dem „Trittico“ und dem „Mathis“ war das nun der dritte ganz große Erfolg in der laufenden Spielzeit. Man kann nur raten, besuchen sie eine der folgenden Reprisen, Termine 20., 23., 25. und 25. 2.
Martin Robert BOTZ