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WIEN / Theater an der Wien: LA SEMELE

26.11.2019 | KRITIKEN, Oper


Sonia Prina, Arianna Vendittelli, Roberta Invernizzi

WIEN / Theater an der Wien:
LA SEMELE von Johann Adolf Hasse
Konzertante Aufführung in italienischer Sprache
26.
November 2019

Das Publikum für „Alte Musik“ hat immer wieder seine vitale Neugierde unter Beweis gestellt, anders wäre der Riesenerfolg dieser Sparte in den letzten Jahrzehnten nicht zu erklären. Mit Händel begann’s, und heute läuft man – und das ist gut so – jeder Rarität nach. Dass Johann Adolph Hasse (1699-1783) zu seinen Lebzeiten ein ausgesprochener Star zwischen Dresden, Wien, Neapel und Italiens Opern-Hochburgen war, hat ihn – bis jetzt! – noch nicht in die Gegenwart gerettet. Vielleicht ändert sich das noch. Die Aufführung von „La Semele“, dargeboten von Le Musiche Nove unter der Leitung von Claudio Osele, war im Theater an der Wien jedenfalls sehr voll.

Diese Dame Semele ist in der Mythologie bekannt, sie wurde gemalt und immer wieder vertont, sie ist eine der vielen Freundinnen des Zeus / Jupiter (ob man es halt griechisch oder römisch nimmt). In aller Ausführlichkeit hat später Händel die Dame 1744 in ein Oratorium verpackt. Für Hasse war es eine kleine „Serenata“ und ein Frühwerk von 1726. Kammerorchester, drei Personen, wenig Aufwand, für private Adelshäuser, die sich allerdings hochrangige Sänger leisten mussten. Vielleicht hat sogar Farinelli bei dieser Aufführung in Neapel mitgewirkt? Man weiß es nicht. Dass er besonders gern Hasses Musik gesungen hat, ist jedenfalls verbürgt.

Diese Musik folgt noch dem barocken Schema, Rezitativ (teils secco, teil accompagnato), Arie. Aber es gibt auch Duette, und jeder der beiden Teile endet mit einem Terzett, zur Pause sogar mit einem ausgesprochen stürmischen. Auffallend ist die Stimmungsbreite der Musik – von der Leidenschaft (besonders wenn es um Eifersucht geht), aber auch Lyrik von fast quälender Langsamkeit und Getragenheit. Da herrschte schon großer Stilwille, auch bei den Orchesterpassagen, die durch Lebhaftigkeit, heftige Ostinati. naturhafte Stimmungsmalerei bestechen. Claudio Osele stand vor dem von ihm gegründeten, über wenig mehr als ein Dutzend Musiker (nur 13 Streicher, eine Laute/Gitarre und ein Basso continuo) verfügenden Orchester Le Musiche Nove, wippend und hüpfend, wild gestikulierend, mitsingend und vor Liebe zur Sache strahlend. Es war – von Hasse einmal abgesehen – vor allem sein Abend.

Drei Damen in dunklen Gewändern standen auf der Bühne, sangen „konzertant“ und spielten doch ihre Rollen. Die Titelheldin war die Königin: Arianna Vendittelli verfügt über einen kräftigen, leuchtenden Sopran, der große Bögen ebenso gestaltet wie lockere Koloraturen, und ist wunderschön anzuhören. Man kennt den Ruf von Sonia Prina in diesem Genre, allerdings klingt ihr Mezzo knochentrocken und nicht selten angestrengt. Allerdings kompensierte sie mit eruptiver Gestaltung – wenn Jupiter Blitze schleudert und die Musik das ebenso vermittelt wie der Gesang, dann kann sie mithalten. Auch die Juno der Roberta Invernizzi hörte sich nicht immer gut an, aber schließlich zankt die Dame die meiste Zeit, das rechtfertigt dann auch dünne, spitze Töne. Nach nicht allzu langer Anlaufzeit standen alle drei fest in ihren Rollen.

Das Publikum schien von Hasse gänzlich überzeugt und spendete ehrlichen Jubel. Vielleicht auch ein kleines bisschen dankbar dafür, dass der Abend – entgegen der sonstigen Barockopern-Tradition – kaum mehr als zweieinhalb Stunden gedauert hatte.

Renate Wagner

 

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