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WIEN/ Theater an der Wien: IL TRITTICO – Derniere

24.10.2012 | KRITIKEN, Oper

TadW: IL TRITTICO (Première 10.10, besuchte Vorstellung 23.10.2012):


Il tabarro“. Foto: Werner Kmetitsch

Regisseur Damiano Michieletto ist vielen bekannt durch seine umstrittene Inszenierung der diesjährigen Salzburger Festspiele-Bohème in der schäbigen Mülldeponie-Ausstattung von Paolo Fantin und Carla Teti. Diese Trias hatte in der Umsetzung der drei Puccini Einakter eine weitaus glücklichere Hand. Während man hierzulande il tabarro und dem unverwüstlichen Gianni Schicchi immer wieder auf der Bühne begegnet, meist in Verbindung mit anderen kürzeren Opern, wie etwa Cavalleria rusticana, Pagliacchi oder zuletzt an der Wiener Staatsoper mit Arnold Schönbergs Oratorium die Jakobsleiter, hat es die mittlere Oper, das Melodram Suor Angelica, schon schwerer. An die Aufführung aller drei Opern kann ich mich nur an jene der Wiener Staatsoper Ende der 70ger Jahren und an eine sehr erfolgreiche aus dem Landestheater Linz in der Spielzeit 1995/96 erinnern. Alle drei Einakter erfordern darüber hinaus eine große Anzahl an Solisten, sodass eine Aufführung des Triptychons nicht gerade kostengünstig wird.

Rechnet man nun zwei Pausen zwischen den einzelnen Opern hinzu, dann hat man einen Puccini Abend mit der stolzen Länge von dreieinhalb Stunden vor sich. Regisseur Michieletto hat dieses Problem erkannt und lässt il tabarro gleichsam fugenlos in seine Suor Angelica übergleiten. Selten konnte dabei ein Bühnenbild derart überzeugen. Aus dem gewohnten Schleppkahn am Seineufer wurde eine Containerlandschaft, deren Wände nach oben gezogen in Suor Angelica den Blick auf zehn nebeneinander gereihte Waschbecken und eine Gefängniszelle mit Heiligenbildern an den Wänden freigibt. Freilich, wir befinden uns in keinem Kloster, sondern eher in einem Frauengefängnis, das von drei sadistischen Gefängniswärterinnen geleitet wird. Indem der Regisseur den Plot also anders erzählt, wird dieser umso lebendiger und gewinnt auch an Aktualität. Und wenn am Ende das Mobiliar im Hause des reichen Donati nach oben geklappt und das Containerrollblech wieder sichtbar wird, dann verweist dieses Ende wieder an den Anfang und Gianni Schicchi zieht sich wieder den Mantel von Michele, dem Besitzer des Schlappkahns, an.

Während sich der Regisseur bei il tabarro noch genau an die inhaltlichen Vorgaben hält und die Geschichte so wie im Libretto Giuseppe Adami vorgesehen, aufrollt, findet er einen äußerst spannenden Übergang zu Suor Angelica. Giorgetta, Micheles Frau, bleibt am Ende des Mantels wie versteinert auf der Bühne stehen. Die Containerwände heben sich und eine grobschlächtige Frau schneidet ihr die Haare ab, reißt ihr die Kleider vom Leibe und steckt sie in einen groben Gefängniskittel. Als dann die Fürstin erscheint, weicht der Regisseur bewusst vom Original ab. Diese führt in ihrer Begleitung Suor Angelicas Sohn mit, der jedoch von zwei der Aufseherinnen brutal entfernt wird und erst nach ihrem Suizid die tote Mutter umarmen kann. Angelica wird auf diese Weise zum Spielball einer ausgeklügelten Intrige der Fürstin, die ihren Tod durchaus in Kauf nimmt, um so in den Besitz des Familienvermögens zu kommen. Und Angelica nimmt auch kein Pflanzengift um ihrem Leben ein Ende zu setzen, mit einem raschen Schnitt öffnet sie ihre Pulsadern.

Im dritten Teil nach der Pause ist die Containerlandschaft einer auf mehreren Ebenen angesiedelten möblierten Wohnlandschaft gewichen. Hysterie und Ekstase beherrschen die Szene und die nach Vermögen gierende Verwandtschaft des verstorbenen Buoso Donati verrenkt sich in grotesken Tanzbewegungen. Und indem sich am Ende das Bühnenbild wieder in die Containerlandschaft des Mantels zurück verwandelt, hat der Regisseur bewiesen, dass diese drei Einakter doch zusammen gehören.


Suor Angelica. Foto: Werner Kmetitsch

Die 1965 geborene US-amerikanische Sopranistin Patricia Racette war als Giorgetta und Suor Angelica durch ihre herausragende Rollengestaltung der erklärte Liebling des Publikums dieser Dernière. Auch stimmlich war sie an diesem Abend ohne jegliche Abstriche in stupender Form. Das übrige Ensemble ergänzte, von einigen harten und scharfen Stimmen abgesehen, rollengerecht.

Da war zunächst einmal ein imposanter Roberto Frontali als Michele und Gianni Schicchi zu bewundern, wobei ihm die Rollengestaltung des Letzteren sicherlich mehr lag. Die Russin Ekaterina Sadovnikova und Paolo Fanale, die im Mantel noch das Liebespaar zurückhaltend mimten, durften dann in Gianni Schicchi als Lauretta und Rinucchio ihre gegenseitige Zuneigung offenherziger zur Schau stellen. Gesanglich berührten sie freilich weniger, was aber deshalb nicht so sehr ins Gewicht fiel, da der Regisseur offensichtlich mehr auf Ensemblewirkung bedacht war. Und die war in allen drei Teilen stimmig. Im mittleren Teil sang die Russin auch die kleine Rolle der Suor Genovieffa.

Stella Grigorian trat ebenso in allen drei Teilen auf. Als vagierende Frugola im Mantel, als La Badessa in Gestalt einer despotischen Gefängniswärterin, die in ihrer Tätigkeit noch durch die ebenso sadistische Ann-Beth Solvang als la Suora Zelatrice unterstützt wurde, und schließlich als intrigantes Biest La Ciesca in Gianni Schicchi.

Der Russe Maxim Aksenov verhauchte noch als Luigi mit dunkel timbriertem Tenor in il tabarro äußerst bühnenwirksam sein Leben.

Die kanadische Altistin Marie-Nicole Lemieux hinterließ als intrigante Fürstin in Suor Angelica und als Zita in Gianni Schicchi nicht nur durch ihre pompöse Erscheinung einen gewaltigen Eindruck, sondern auch durch häufige hysterische gesangliche Ausbrüche, wohl wissend, dass bei Puccini Belkanto nicht wirklich immer angesagt ist und ihre sich geradezu ins Groteske steigernde Rollengestaltung.

Die kleineren, an dieser Stelle nicht genannten Rollen, waren durchwegs gut, wenn auch gesanglich nicht überragend, besetzt. Der israelische Dirigent Rani Calderon war kurzfristig für den indisponierten Kirill Petrenko eingesprungen und rettete so am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien die gesamte Aufführungsserie, weshalb ihm auch kein Vorwurf zu machen ist, manche Stellen nicht intensiver herausgearbeitet zu haben. Gewohnt solide agierte der Arnold Schoenberg Chor unter seinem versierten Leiter Erwin Ortner.


Gianni Schicchi“. Foto: Werner Kmetitsch

Es war eine große Freude, das Triptychon wieder einmal mit allen seinen Einzelopern erleben zu dürfen. Das Publikum dankte es jubelnd den beteiligten Sängern dieser Dernière.

Harald Lacina

 

 

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