WIEN/Theater an der Wien: IL RITORNO D’ULISSE IN PATRIA – Premiere 7.9.2012
Musikalisch und gesanglich großartig – szenisch eher Geschmackssache. Es ist gewiss ein Heimkehrerdrama, wie es nach dem letzten Weltkrieg vielfach passierte. Der Mann war für viele Jahre im Krieg und in Gefangenschaft. Sehr viele warteten die ganze Zeit über ganz treu. Nach 10, 15 Jahren kam der Mann zurück, gezeichnet durch schreckliche Erlebnisse, sie durch die bombardierten Städte und den Hunger. Für die nunmehr halbwüchsigen Kinder war der Vater ein völlig fremder Mann. Kann man dort anknüpfen, wo man vor vielen Jahren auseinander gerissen wurde? Das war auch der Ansatz des Regisseurs Claus Guth. Dazu baute Christian Schmidt eine in 4 Räume geteilte Drehbühne in dem Ambiente, anfangs der 1950-er Jahre, und entwarf ebensolche Kostüme. Dem Regisseur gelang zweifellos eine starke Personenführung. Man kann allerdings die Frage stellen, was bringen Zeitverlegungen? Wer jene Zeit, etwa 1940 bis 1955 nicht mehr bewusst selbst erlebt hat, dem sind die angesprochenen Probleme genau so weit entfernt wie die Antike. Dazu kommt auch, dass die meisten Menschen jener Zeit nicht über ihre schrecklichen Erlebnisse sprechen wollten.
Das allergrößte Plus des Abends war jedoch Christophe Rousset mit dem Orchester Les Talens Lyrique. Sie schufen wirklich ein wunderbares Klangbild. Das allein ist erlebniswert. Der Komponist hinterließ nur sehr sparsame Anmerkungen zur Ausführung und es ist nur ein einziges Manuskript davon in Wien erhalten, so muss jeder Dirigent das für sich zurechtlegen. Was diesmal ganz prächtig gelang.
Unter den zahlreichen Solisten gab es keinen einzigen Ausfall. Dem einen oder der anderen verrutschte gelegentlich ein Ton, was aber nicht weiter störte, da sie sehr intensiv spielten. Dem Rezensent gefiel am besten Delphine Galou als Penelope mit einer ebenmäßigen Stimme, ausgeglichen und wohllautend und mit samtenem Timbre. Die Klagen und Sehnsüchte hört man direkt aus ihrer Stimme. Groß und schlank in hoheitsvoller Haltung, ist sie wirklich eine Königin. Der so lange vermisste Ulisse ist dem sehr intensiv spielenden und singenden Garry Magee anvertraut. Er kämpft darum, dass sein Frau ihn wieder erkennt. Sein Bariton ist für diese Rolle wie prädestiniert. Als Sohn Telemaco, für den alles nur mehr alte Geschichten sind, hört man Pavel Kolgatin mit einem guten, entwicklungsfähigen Tenor. Er ist übrigens ins Ensemble der Staatsoper engagiert, man wird ihn also öfters hören und wünscht ihm eine gute Weiterentwicklung.
Mit den Göttern kann der Regisseur eigentlich nichts anfangen. Man kann sie aus der Handlung nicht wegstreichen, ohne das Werk zu zerstückeln, so sind sie so etwas wie komisch kostümierte Figuren. Es waren Phillip Ens, Cornelia Horak, Sabina Puértolas, Emanuele D’Aguano, sie erfüllten ihre Aufgaben ganz gut.
Die um Penelope werbenden Freier sind Rupert Enticknap, Tamás Tarjanyi, Igor Bakan und der gefräßige Iro/Jörg Schneider. Dazu kamen noch die Amme Ericlea/Milena Storti, die Ulisse an einer Narbe wieder erkennt und der treue Hirte Eumete/Marcel Beekman, manchmal etwas schrill, dem sich Ulisse zuerst zu erkennen gibt. Schließlich gibt es noch ein Liebespaar, sie ist zudem so etwas wie die Sekretärin Penelopes, es sind Katija Dragojevic als Melanto und Sebastian Kohlhepp als Eurimaco. Auch sie erbrachten einen positiven Beitrag zum Erfolg des Abends.
Es herrschte zum Schluss ganz große Begeisterung im Theater, auch für das Produktionsteam. Das war diesmal ganz einhellig. Ein gelungener Start in die neue Spielzeit. Diese Aufführung ist wirklich besuchenswert und sehr zu empfehlen! Es gibt noch 5 Termine.
Martin Robert BOTZ