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WIEN/ Theater an der Wien: I DUE FOSCARI – ohne Domingo

25.01.2014 | KRITIKEN, Oper

Theater an der Wien:

„I DUE FOSCARI“  25.1. – mit umbesetzter Titelrolle

Nach zwei ungemein beeindruckenden Vorstellungen mit Domingo wollte ich unbedingt wissen, wie sich das Stück bzw. die Produktion mit einem anderen Titelrollensänger ausnehmen würde. Während an den Domingo-Abenden fast nur der harte Kern der Opernnarren anzutreffen war, Domingo-Fans, die u.a. (was ich allein schon aus dem Bekanntenkreis mitbekam) aus Peking, Kasakhstan und Israel, natürlich massenhaft aus den spanischen Ländern, den USA, aus Frankreich, England, Italien, Deutschland, und mehr als je sonst aus den österreichischen Bundesländern…angereist waren, fanden sich an diesem ebenfalls ausverkauften 25.1., der einzigen Vorstellung, wo der Tenorissimo/Baritono nicht angesetzt war, „normale“ Wiener Operninteressierte im Theater a.d.Wien ein, die wohl des Werkes wegen gekommen waren, das man ja nur ganz selten zu hören bzw. sehen kriegt.  (Ich hatte es zuvor nur zweimal in Bratislava, davon einmal mit dem grandiosen Leo Nucci erlebt.) Es spricht für Verdis Größe, dass die Aufführung auch diesmal aufwühlend geriet.

Wie Direktor Roland Geyer vor Beginn dem Publikum mitteilte, war der urprünglich vorgesehene Alternativ-Bariton Louis Otey erkrankt und es konnte Paolo Gavanelli als Ersatz gewonnen werden. Er danke allen Mitwirkenden, die dem Sänger bei einer zusätzlichen Einspielprobe helfend zur Seite gestanden waren.

Der „gestandene“ Verdi-Bariton, der in diesem Fach auf eine 30-jährige Karriere quer durch die Opernwelt zurückblicken kann, den wir aber in Wien schon viele Jahre nicht mehr gehört haben, scheint nun im richtigen Alter für den alten Foscari angekommen zu sein.  Da er stilistisch immer voll im Bilde war, wie man Verdi beizukommen hat (aber nicht immer mit vollem Stimmeinsatz beglückte),  bereitet ihm der Francesco Foscari nicht nur keine Probleme, sondern der Sänger kann sich so richtig in der Rolle ausleben (wie Text und Komposition es fordern) und singt sie mit erstaunlich intakter Stimme. Hin und wieder blitzte kurz seine alte Schwäche, nämlich, im Bemühen um eine kantable Linie die Töne zu verschleifen, wieder durch, aber das war minimal gegenüber der mit viel emotionalem Engagement gestalteten und einer enormen Schlussteigerung bewältigen Rolle des verzweifelten alten Vaters. Den amtsmüden alten Dogen glaubte man ihm in seiner ersten großen Szene fast noch mehr als dem vor Kraft strotzenden Domingo. In der Szene, in der er endlich seinen Sohn umarmt, weinte er nicht, und am Schluss unterließ er Domingos Schreckensschreie, als der sterbende Foscari nochmals den verstorbenen Sohn, dem er nicht hatte helfen können, vor sich zu sehen wähnte. Aber auch bei Gavanelli war die Schlussszene, vom stimmlichen wie vom körperlichen Ausdruck her, überaus ergreifend und großer Jubel dankte am Ende auch ihm.

Resumée: Verdis “Foscari“-Oper  tritt zwar handlungsmäßig auf der Stelle – ewige Klagen über die Ungerechtigkeit und Härte der Foscari-Familie auf der einen Seite, ewige Rachegelüste auf der anderen Seite, die letztendlich nach außen hin den Sieg davonträgt, indem sie den Tod des jungen Jacopo herbeigeführt und letztlich Francesco Foscari abgesetzt hat.  Aber Verdis Humanität siegt haushoch über das Böse. Solange Jacopo und seine Frau Lucrezia vor seiner neuerlichen Verbannung einander versichern, dass alles Leid nicht so stark sei wie ihre gegenseitige Liebe, dass der leidende Vater dem verlorenen Sohn versichert, sie würden einander im Himmel wiedersehen, oder dass der Doge im letzten Akt seiner Schwiegertochter nahe legt, würdevoll ihr Leid zu tragen – das klingt alles ein wenig pathetisch, wenn man es in trockene Worte fasst. Aber da ist Giuseppe Verdis Musik, von James Conlon mit allem nötigen Impetus und aller Eindringlichkeit dirigiert. Ob es nun die Soli der Hauptpersonen, die großartigen Duette, Terzette (meisterhaft etwa jenes zwischen Francesco- Jacopo-Lucrezia mit den hineinkomponierten  unterschiedlichen Emotionen) oder die großen Ensembles sind, die einsam klagenden Bratschen zu Beginn des 2. Aktes oder der Einsatz der Harfe, um weit ausholende, die Gegenpartei beschwörende  Melodien zu begleiten, oder gar die gewaltigen Chöre, die von der alles beherrschenden Gerechtigkeit im Staate Venedig künden und doch unmissverständlich zum Ausdruck bringen, das „etwas faul ist im Staate Venezia“…

Wer diesen Verdi‘schen Kantilenen widerstehen kann, der hat in einem Opernhaus nichts zu suchen!

Sieglinde Pfabigan

 

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